Er schafft sich eine eigene Aura

von Redaktion

Pianist Alexander Malofeev bannt die Zuhörer bei den Tiroler Festspielen Erl

Erl – Viele können Klaviernoten richtig spielen, manche richtig und gut – aber nur wenige können so spielen, dass sie sich aus den Klaviernoten eine eigene Aura schaffen, eine ganz eigene Welt. Der 24-jährige russische Pianist Alexander Malofeev kann das, wie er bei den Tiroler Festspielen Erl bewiesen hat.

Manchmal hatte man das Gefühl, er spiele die Filmmusik zu dem, was sich in seinem Hirn und Herz abspielt: absolut bannend, absolut auratisch, absolut meisterhaft. Die meist schnellen Tempi, die Malofeev wählte, machten alles fiebrig erregt, manchmal wie verfolgt. So gleich im ersten der drei Klavierstücke D 946 von Franz Schubert, in dem auch das dunkelgründige Andante keinen Trost brachte, noch weniger die wie zitternd wirkenden Triller oder die ins Bodenlos absinkenden Modulationen: Die Harmonien verlieren den festen Boden. Alles ist abgrundtief traurig und doch abgrundtief schön.

Diese Spielart rückte Schubert in die Nähe des fast 60 Jahre später geborenen Leoš Janácek, dessen Zyklus „Im Nebel“ Malofeev später spielte. Da spürte er mit zartestem, aber immer leuchtendem Anschlag jeder Gefühls- und Farbnuance nach: sehnsüchtig flehend, dann wieder scharfkantig glitzernd, irrlichternd und wehmütig verzweifelt: eben wie verloren im Nebel.

Vorher hatte Malofeev die Sonate Nr. 3 von Dmitri Kabalewski aus der drohenden Gefahr der Banalität geholt mit leisem Perlen, das dann schnell zum gefährlichen Klirren wurde, vom tobenden Bass begleitet, alles mit motorischem Ingrimm und zündender Energie. Vor allem der Finalsatz mit seiner burlesk-brachialen Heiterkeit, die sich in aggressiver Rhythmik und in entfesselten Läufen äußert, ließ die Zuhörer in tobenden Applaus ausbrechen.

Mit einem stählernen Fortissimo begannen die „Funérailles“ von Franz Liszt, gefolgt von einem Piano-Trauermarsch, der klang wie ein Marsch von schon Toten im Nebel: Nicht umsonst hatte Malofeev dieses Stück attacca auf den Nebel von Janácek folgen lassen. Unendlich sanft, wie tränenblind dann die Totenklage vor dem überwältigend feurigen Schlussdonner mit Oktavengewitter, bis alles überirdisch zart endet: Malofeevs Technik blieb immer tadellos. Erst recht dann in den Stücken von Alexander Skrjabin: Klangzauber wie herunterwehender Blütenfall oder auf- und niederschwebender trillergespickter Lerchenklang explodierte gleichsam in die wieder attacca folgende Fantaisie h-Moll op. 28, in der Malofeev gewaltige Leidenschaftsgebirge auftürmte, beschirmt von sonnenglitzernden Wolken und durchzogen von sonnenbeschienen Matten, durch die Flüsse strömten: Bilder wie Filme produzierte Malofeev in seinem Spiel.

Nach stürmischem Beifall gewährte Alexander Malofeev noch mehrere Zugaben, darunter das Prélude op. 3 Nr. 2 von Rachmaninoff und das Notturno f-Moll „La Separation“ von Mikhail Glinka. RAINER W. JANKA

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