Von Finnland über Hafendorf nach Wien

von Redaktion

Pianistin Marianna Shirinyan mit „Traumliedern“ im Atelier von Antje Tesche-Mentzen

Söchtenau – Sie war erst am Vortag aus Finnland angereist und fuhr am nächsten Morgen schon wieder weiter nach Wien. Und weil ihr Koffer verloren gegangen war, hatte ihr Gastgeberin Antje Tesche-Mentzen kurzerhand ein eigenes Kleid geliehen. Im Atelier der Künstlerin in Hafendorf spielte die armenische Pianistin Marianna Shirinyan unter dem Motto „Traumlieder“ Werke von Bach, Ravel, Debussy, Schubert, Scriabin und Chopin.

Mit Hingabe
und Perfektion

Meditativ andachtsvolle Ruhe im Adagio verströmte die c-Moll Partita BWV 826 von Johann Sebastian Bach. Marianna Shirinyan spielte das nachfolgende ariose Andante das zweistimmig fugierte Allegro mit Hingabe und technischer Perfektion. Tänzerisch übermütig klangen die Allemande und Courante. Auf ein Rondeau mit kecken Septimensprüngen folgte ein lebhaftes Capriccio, das die Pianistin frisch und makellos interpretierte.

Großen Ausdrucksreichtum kennzeichnete Shirinyans Spiel im „Gaspard de la nuit“ von Maurice Ravel. Die komplexe Komposition stellte höchste technische Ansprüche, die die Pianistin bravourös meisterte. Geisterhaft wirkten die Tremolos und der Klang der Totenglocke im Satz „Ondine“, dessen träumerische Artistik berührte. Mit großer Sensibilität spielte die Pianistin nach dem leise verklingenden „Le Gibet“ den wild zerklüfteten, mit verfremdeten Walzer-Rhythmen versehenen Satz „Scarbo“. Dem Klangrausch Ravels lauschte das Publikum gebannt und wie in Trance.

Die farbprächtigen Bilder und Skulpturen im Atelier schienen auf die Pianistin inspirierend zu wirken. Eine besondere Bedeutung besitzt für sie Debussys „Clair de Lune“. „Oft habe ich auf Reisen mit dem Mond gesprochen, der beruhigend immer gleich bleibt“, erklärte Shirinyan. Den zarten impressionistischen Zauber dieser Komposition brachte sie bravourös zu Gehör. Die beiden Impromptus op. 90 Nr. 2 und 3 von Schubert spielte die Pianistin mit großer Klangsinnlichkeit. Ihre Darbietung war mal sanft und hell, dann wieder, wie im zweiten Impromptu, trotzig und kraftvoll. Oft schien Shirinyan die Tasten nur anzutupfen, so duftig und ätherisch klang ihr Spiel. Das dritte Impromptu war eine Träumerei mit zarten Lyrismen und einer ruhig schwebenden Melodie, die in geheimnisvolle Tiefen führt.

Chopins
elegischer Zauber

Nach einem nur dreiminütigen Klavierstück von Scriabin folgte die f-Moll Ballade Nr. 4 von Chopin, deren pianistische Figurationen und elegischer Zauber gefangen nahm. Die zarte Kadenz, aber auch das lyrische Seitenthema mit seinem fast triumphierenden Gesang, schließlich die anstürmenden Arpeggien und Akkordfolgen spielte Marianna Shirinyan mit Virtuosität und Leidenschaft.

Als Zugabe erklatschte sich das Publikum noch ein wildes armenisches Tanzlied und ein Prélude von Rachmaninow.

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