Eine wahre Bach-Sternstunde im Spiegelsaal

von Redaktion

Großes Finale bei den Herrenchiemsee-Festspielen mit dem Orchester der Klangverwaltung unter Kent Nagano

Herrenchiemsee – Die Messe in h-Moll, Johann Sebastian Bachs letzte Komposition, vereinigt alles, was Bach an Kunst im Laufe seines Lebens als Organist, Komponist und Kapellmeister entwickelt hatte. Und sakrale Vokalmusik in künstlerischer Vollendung boten Chor und Orchester der Klangverwaltung sowie die vier Solisten Elisabeth Breuer (Sopran I), Olivia Vermeulen (Sopran II und Alt), Tenor Martin Platz (Tenor) und Bariton Thomas Laske (für den erkrankten Florian Götz) unter Dirigent Kent Nagano im Spiegelsaal auf Schloss Herrenchiemsee dar.

Es war eine wahre Bach-Sternstunde. Das erste „Kyrie“, das „Gratias“ oder das „Et incarnatus est“ – das war Meditation pur. Die Spiritualität des Werks wurde fast körperlich erfahrbar. Nach dem von Elisabeth Breuer und Olivia Vermeulen als flehende Anrufung gestaltetem Duett „Christe eleison“ meißelte der Chor im zweiten „Kyrie“-Satz das zugrundeliegende Kreuzmotiv regelrecht aus dem archaischen Klang heraus. Im prachtvollen „Gloria“ jubilierte und frohlockte der Chor mit festlich aufspielenden Streichern und zupackenden Bach-Trompeten. Von der Huldigung Gottes durch die Soprane, kanonisch gefolgt von den Einsätzen der tiefen Stimmen, war es da nicht weit bis zur finalen „Cum Sancto Spiritu“-Fuge mit Fortejubel. Überzeugend auch das „Credo,“ insbesondere das vielschichtige „Confiteor“, in dem gregorianische und Renaissanceklänge mit barocker Choralmusik verwoben werden.

Unbarmherzig trieben Sänger und Orchester beim „Crucifixus etiam pro nobis“ die Nägel ins Kreuz. Später feierten Chor und Orchester die Auferstehung mit einem strahlenden, flotten „Et resurrexit.“ Frohlockend gelang das sechsstimmige „Sanctus,“ gefolgt vom achtstimmigen doppelchörigen „Osanna.“

Schlanker Ton, großartig zelebrierte Dynamik und Agilität – die Sänger der Klangverwaltung samt dem mitsingenden Chorleiter Andreas Klippert zeigten sich durchgängig sehr virtuos. Auch die Solisten glänzten in ihren Partien mit transparentem Wohlklang. Elisabeth Breuer und Martin Platz gestalteten ihr Duett des „Domine Deus“ als Gebet, wunderbar einfühlsam begleitet von der Basso-Continuo-Gruppe. Wunderbare Zwiesprache mit der anrührenden Melodie der Oboe (Jürgen Evers) hielt Olivia Vermeulen im „Qui sedes,“ mit dem „Agnus Dei“ sprach sie das Publikum an. Das „Quoniam tu solus sanctus“ war Anbetung pur: Bariton Laske bekam mit dem Horn (Premysl Vojta) einen gesanglichen Duettpartner. In der Arie „Et in Spiritum Sanctum Dominum“ glänzte Laske mit packender Präsenz. Wunderbar, wie Tenor Martin Platz das „Benedictus“ gestaltete.

Die großartigen Instrumentalisten des Orchesters der Klangverwaltung, die virtuos die Solisten auch solistisch bei ihren Arien begleiteten und die sich mit Spiellust und Brillanz ins Zeug legten, kann man auch im Nachgang nicht genug loben. Kent Nagano dirigierte mit geschmeidiger Eleganz und nie nachlassender Energie. Beglückend, welch emotionale Kraft er aus dieser Messvertonung entfesselte. Das dicht gewebte finale „Dona nobis Pacem“ samt überhöhendem Trompeten-Hymnus und bekräftigenden Paukenschlägen war ein Manifest für die Hoffnung auf Frieden. Man mag der Rezensentin die Schwärmerei verzeihen, aber diese Darbietung der h-Moll-Messe war wahrlich ein krönender Abschluss der diesjährigen Herrenchiemsee-Festspiele. Mit der Ergriffenheit war die Rezensentin wohl nicht allein. Die lange Stille nach dem finalen Schlussakkord zeugte davon – gefolgt von nicht enden wollendem Applaus.Elisabeth Kirchner

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