Falsches Liebeswerben in Hawaii-Hemden

von Redaktion

Mozart-Oper „Cosi fan tutte“ im Taschenbuchformat bei Festivo in Aschau

Aschau im Chiemgau – Ein Problem für den Regisseur in Mozarts „Cosi fan tutte“ ist immer: Wie verkleide ich die beiden neapolitanischen Offiziere, die als vermeintliche albanische Prinzen die Treue ihrer Geliebten auf die Probe stellen wollen, so, dass die Frauen ihre Geliebten wirklich nicht erkennen? Giulio Alvise Castelli als „Direttore di Scena“ gab ihnen Vokuhila-Perücken, in denen sie wie Rod Stewart in jungen Jahren aussahen, dazu abenteuerlich gemusterte Hawaii-Hemden plus Sonnenbrille. Das sah wirklich lustig aus, dafür weniger realitätsnah: Die beiden Frauen sollen sich ja wirklich in sie verlieben.

Musikalische
Gefühlswelten

Die – vor allem emotionale – Realität kam von der Musik. Johannes Erkes, hier als „Maestro Concertatore“, wie’s im Programmheft hieß, gab diese Oper im Rahmen seines Festivals „Festivo“ in der Festhalle Hohenaschau als „Oper im Taschenbuchformat“: Die Ouvertüre war nur angespielt, die Spielzeit von drei Stunden war auf zweieinviertel Stunden gekürzt, das Orchester auf fünf Musiker. Johannes Erkes spielte die Bratsche, Duygu Schumann das Cello, die beiden famosen Miyazaki-Schwestern, die auch bei den Opern auf Schloss Amerang im Einsatz sind, spielten hochengagiert Geige und Alexander Kuralionok gab mit seiner großen Knopf-Harmonika alle eigentlichen Bläserfarben dazu.

Das funktionierte wirklich gut, die so bestrickende wie tiefgründige Mozart’sche Musik entfaltete trotzdem ihren Zauber und gab zu erkennen, wie sehr sie die wahren Gefühle der Opernpersonen, von denen diese vielleicht selber nichts wissen, wiedergibt. Denn um Liebe vorzuspiegeln, müssen sie ja doch irgendwie Liebe empfinden. Erst im Augenblick der Untreue erfahren sie die Tiefe ihres eigenen Empfindens, sagt dazu Ulrich Schreiber in seinem Kompendium „Die Kunst der Oper“.

Die Rolle der Despina, der zynisch-intriganten Kammerzofe, war eingespart, dafür rückte Don Alfonso, dieser illusionslose Philosoph, in den Mittelpunkt. Florian Dengler, mit Grauhaar, elegantem Sakko und flottem Schal, nützte diese Gelegenheit und beherrschte schauspielerisch wie stimmlich die Bühne.

Eine weitere wichtige Rolle übernahm Erkes selber: Er erklärte mild-ironisch die Handlung sowie die Motive der Handelnden und beschrieb in treffenden Worten die Musik. Er verwies immer wieder auf die Doppelbödigkeit des Operngeschehens, nannte diese Oper „ein tiefgründiges Psychogramm der Liebe“ sowie „ein unberechenbares Spiel der Seele“, betonte, wie sehr diese Oper eines der großen Ensembles ist, und charakterisierte schon mal ein Terzett „wie Popmusik“.

Rollengerecht waren die Sängerpartien besetzt: Sophie Magdalena Reuter als Fiordiligi in Blond war am besten, wenn sie ihren schnell aufblühenden Sopran instrumental führte. Koloraturen-erfahren und überzeugungskräftig gestaltete sie ihre Martern-Arie („Come scoglio“) mit den Dezimensprüngen. Einmal musste sie doch als Despina einspringen, die mittels einer Tischklingel die scheinbar toten Männer „mesmerisierte“, sprich: wieder ins Leben zurückrief. Temperamentsexplosiv war die dunkelhaarige Katarina Morfa als Dorabella, mit volltönendem und bisweilen tragödienvibrierendem Mezzosopran. Beide harmonierten gut in ihren Duetten.

Als Guglielmo agierte und sang Giulio Alvise Castello versiert und überzeugend mit kraftvollem Bariton. Lukas Siebert bewies mit seinem hell timbrierten, höhensicheren und sehr leichten Tenor, dass er als Ferrando der empfindsamere der beiden Männer ist, leichtflüssig phrasierte er seine Liebes-Arie „Un‘aura amorosa“ und garnierte sie mit leisen Liebes-Schluchzern.

Das Publikum in der fast ausverkauften Festhalle verfolgte diese erotische Versuchsanordnung gespannt, schmunzelte über Erkes‘ Formulierungen, gab Zwischen- und am Ende langen, herzlichen Schlussapplaus.

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