Dieses Mal hatte der Kursleiter besonders passende Ortsnamen ausgewählt, um die Grundthese seines Lehrers in puncto Namensdeutung anwenden zu lassen: „Nie den heutigen Namen zu deuten versuchen, sondern auf die ältesten Namensbelege schauen und sich dann an die Namenserklärung heranwagen!“. Auf dem Weg nach Prien hatte er an einer Abzweigung nach Süden in Richtung Chiemgauer Berge auf einer Anhöhe die Ortschaften Anisag, Farnach und Ofenwinkl ausfindig gemacht.
Die Priener Feriengäste, die an seinem Ferienkurs „Ortsnamenkunde“ teilnehmen, spielen mit großem Engagement mit und begehen zunächst – absichtlich und zur gegenseitigen Erheiterung – den Kardinalfehler der Ortsnamenkunde: „Ohne Kenntnis der frühen Belege könnte man bei Anisag an die Gewürzpflanze Anis, bei Farnach an eine Ache oder einen Bach denken, bei dem Farnkraut wächst, und bei Ofenwinkl an ein gemütliches Bauernhaus, in dem der Kachelofen gut brennt – oder auch an ein offenes Gelände im 90 Grad Winkel“, meint Urlauber Severin aus Augsburg zu bedenken.
„Genug der Spekulationen“, wirft die Historikerin Miriam ein. „Bitte zeigen Sie uns die frühen Formen aus dem Mittelalter oder aus der Römerzeit, sofern vorhanden.“
„Zunächst: Anisag und Farnach sind Weiler, Ofenwinkl ist eine Einöde. Alle drei Örtlichkeiten gehören zur Gemeinde Riedering“, vermeldet der Kursleiter. Danach gibt er die bairische Aussprache der drei betreffenden Orte bekannt, da diese zum Verständnis hilfreich sein kann.
Die boarische Aussprache stammt nicht von ihm selber, sondern von der aus Prien gebürtigen Autorin und Moderatorin Regina Wallner. „Oh, die kenn ich ausm Radio“, ruft ganz begeistert der Physiker Hasan. „Ich hör gern ihre Verkehrsdurchsagen auf Bayern 1, wenn ich unterwegs bin“. „Und ich hör gern ihre Stimme in der Münchner S-Bahn bei den Ortsnennungen der Haltepunkte“, gibt Urlauberin Romana bekannt.
„Also, laut Regina Wallner: Onisog mit offenem o, wie in Englisch caught, Fama ohne das ch, mit m statt n und ohne r, sowie Ofmwinge, wobei das g nur ganz wenig zu hören ist und das e eher abfällt, um Frau Wallner genau zu zitieren!“ Der Kursleiter verteilt dann die Blätter mit den Recherchen seines Fachkollegen Dr. Josef Bernrieder, die ihm dieser vor einiger Zeit zur Verfügung gestellt hatte. Die Überraschung unter den Kursteilnehmern ist überaus groß. Die Namenforscherin Lara liest zu Anisag vor: „1135: Aueram de Honolfesache, aus den Monumenta Boica Band 2, Nr. 292; 1140: Onolfesahe, 1150 Onolfenhage, 1417 Onesag.
Bernrieder legt einen Personennamen Onolf oder Honolf zugrunde. Der zweite Teil des Namens stammt nicht von aha = fließendes Wasser, sondern von ouge, einer Nebenform zu owe = Au. Also: Das wasserreiche Wiesen- und Auenland des Onolf!“.
Große Überraschung allerseits. Dann Pause. Wie es weitergeht, kann man in 14 Tagen hier lesen.Armin Höfer