Wasserburg – In dem Community-Art-Projekt „Signal vom Dachstein“ setzen sich Künstler aus allen Sparten mit der aktuellen Lebenswelt und kulturellen Identität der Menschen in der steirischen Dachstein-Region auseinander. Projekte verschiedenster Art entstanden, darunter auch eine Komposition der Bratschistin Marie-Theres Härtel, die aus der Steiermark stammt, derzeit aber in Söllhuben lebt, spielt und unterrichtet.
Sie hat in einer „kammermusikalischen Alpensinfonie“ versucht, den Dachstein zum Klingen zu bringen. Dafür hat sie Musiker um sich geschart, Vorbedingung war: Sie mussten bergerfahren bis zum Klettersteig D (sehr schwierig) sein und jodeln können. Sieben Musiker sind es nun, die zwölf Instrumente spielen. Vorgestellt, ja welturaufgeführt, wurde „Der Dachstein“ nun in der Kinowerkstatt in Wasserburg.
Wie klingt nun der Dachstein? Die kammermusikalische Alpensinfonie besteht aus einer Ouvertüre und acht Abschnitten. Bei „Alpensinfonie“ denkt man sofort an Richard Strauss, der mit diesem Titel eine monumentale Programmmusik komponiert hat. Und in der Tat klingt die Ouvertüre wie ein Sonnenaufgang, ein bisschen nach Strauss‘ „Zarathustra“: Die Basstuba und der Kontrabass geben Impulse, über einem Bett aus Streicherklängen beginnt die Oboe ein Lied, dann folgen ein Geflecht von Melodien, schroffe Geigenklänge, melodische Aufschreie und Volksliedfetzen: Marie-Theres Härtel, die jeden Abschnitt kommentiert, erklärt, diese Ouvertüre sei wie ein Aufstieg auf den Dachstein mit Sonnenaufgang, aber auch mit Felssturz und Gewitter.
„Die Dohlen“ heißt der zweite Abschnitt, in dem die Streicher (Marie-Theres Härtel, Barbara Grahor Vovk, Johannes Dickbauer) eine sehnsüchtige Melodie anstimmen, die von Flötentrillern und einem virtuosen Posaunensolo begleitet wird, das wie Flügelschlagen einer Dohle wirkt. „Gletschereis“ ist eine Ballade für den Dachstein-Gletscher. Der Bass mit verzweifeltem Zupfen, die Geigen mit Flageolett-Klängen, das melancholische Saxofon (Florian Trübsbach): alle beweinen sie, am Ende wilder und beschwörender, das Sterben des Gletschers. „Auffi!“ malt in rasch voranschreitendem Duktus den Aufstieg auf den Berg nach, in aller Frühe, um den Bergwanderermassen zu entgehen, die aber ebenso schnell hinterherkommen. Oben auf dem Gipfel jodelt dann Posaunist (Andreas Tschopp) zur Überraschung aller mit dem gewundenen Kudu-Horn.
Dann beginnen die Musiker geheimnisvoll zu flüstern, dumpf streicht der Bass (Andreas Kurz) und dunkel tönt die Tuba (Johannes Bär), darüber schabendes Geigengezwitscher wie Fledermausrufe: „Bergseele“ heißt dieser Teil, und jetzt wissen wir’s: So klingt der Dachstein – zumindest dessen Inneres. Doch dann tanzen fröhlich die Berggeister samt der nun enthemmten Basstuba, bis alles wieder im Flüstern endet. Eine ganz persönliche Episode ist „Urgroßvater“: Ein wohlklingendes Totengedenken für den Urgroßvater der Komponistin, der bei einer Dachsteinbesteigung in der Südwandhütte gestorben ist.
In dem Abschnitt „Übern Dachstein“, der eine Überschreitung vom Altaussee bis Ramsau beinhaltet, kommen Schwegelpfeifen zum Einsatz, es wird volksmusikantisch, die Zuhörerbeine wippen mit, dann jodelt Härtel zusammen mit dem Posaunisten Bär, das Publikum im vollen Saal jubelt.
Den Abschluss bildet der Teil „Almsommer“, auf den Marie-Theres Härtel ein „Almliad“ komponiert hat, das sie selber vorträgt und das dann von allen sanft verjazzt wird. Für den aufbrandenden und mit Bravo-Rufen vermischten Beifall antwortet die Dachsteinband mit einem Stück, in dem wieder die Schlegelpfeifen flöten und das Kudu-Horn jodelt: So klingt eben der Dachstein.RAINER W. JANKA