Frasdorf – „Rebellisch möcht’s werd’n“: Bei einer Veranstaltung unter dieser Überschrift durften altbekannte Geschichten wie die um den Räuber Kneißl nicht fehlen. Christoph Meier-Gehring, früherer Kulturreferent des Landkreises Rosenheim, präsentierte in Umrathshausen auf Einladung des Heimat- und Kulturvereins Frasdorf ein literarisch-musikalisches Mundartprogramm über das große und kleine Rebellentum in Bayern. Dafür war er tief in Geschichtsbücher, Archive und Biografien eingetaucht.
Das ging los mit der Memminger Bundesordnung und den zwölf Artikeln, Letzteres laut Meier-Gehring „die erste Menschenrechtserklärung“. Vor 500 Jahren schlossen sich in Memmingen die Vertreter der Baltringer und Allgäuer Haufen sowie des Bodensee-Haufens zu einer „Christlichen Vereinigung“ zusammen, beriefen sich auf das Evangelium und das göttliche Recht, das gegenüber den Grundherren durchgesetzt werden müsse. Und – oh Wunder: Die rechtliche und soziale Situation der Aufständischen verbesserte sich teilweise. Nach so viel Geschichtsstunde brauchte es eine musikalische Erfrischung: Das Fahrtenlied „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“ besang die Taten des Odenwälder Bauernführers Florian Geyers und seiner Anhänger während des Bauernkriegs 1525. Für was der Aufruf „Lieber bayerisch sterben, als in des Kaisers Unfug verderben“ steht, legte Meier-Gehring auch gleich dar: bayerischer Widerstand gegen die österreichische Herrschaft, der in der Sendlinger Mordweihnacht von 1705 gipfelte. Als einer der letzten bayerischen Aufständischen starb dabei der legendäre Schmied von Kochel. Ob dieser nun eine reale oder eine fiktive Person war, konnte der Abend zwar nicht klären, aber es gab ja noch so vieler weiterer Rebellen zu gedenken: Sei es der Wirtshaussepp z‘Garching, besungen im gleichnamigen Lied des Kraudn Sepp, das Haberfeldtreiben oder eben der Matthias Kneißl und seine „Kollegen“ Michael Heigl (1817 bis 1857) oder der Matthias Klostermeier (1736 bis 1771). Die Räuber, allesamt aus ärmlichen Verhältnissen, wurden „Sozialrebellen“. Nicht, dass er Verständnis für alle Taten habe, so Meier-Gehring, aber: Resozialisierung war damals ein Fremdwort. Meier-Gehring gedachte auch des Wildschützen Jennerwein, dessen tragisches Ende bis heute Rätsel aufgibt.
Und schon war man mittendrin in der bayerischen Revolution 1918/19: Wunderbar, wie Meier-Gehring das Gedicht vom Revoluzzer und Lampenputzer von Erich Mühsam rezitierte oder wie er schilderte, wie Oskar Maria Graf am Ende eines Protestmarsches zur Theresienwiese im Wirtshaus landet, wo normaler Betrieb herrscht. Auch wenn München das Zentrum der braunen Opposition wurde, Widerstand gab es. Beispielhaft dafür wieder Erich Mühsam: „Ich hab’s mein Lebtag nicht gelernt, mich fremdem Zwang zu fügen. Jetzt haben sie mich einkasernt, von Heim und Weib und Werk entfernt. Doch ob sie mich erschlügen: Sich fügen heißt lügen!“ 1934 wurde Mühsam im KZ Oranienburg hingerichtet. Graf hingegen blieb erst von dem Unbill der Nazis verschont, musste aber dann doch ins Exil fliehen. Dabei hatte er sich, so Meier-Gehring weiter, offen als linker Sympathisant geoutet und kämpfte „gegen die bayerische Wurschtigkeit und Passivität“.
Die Mitglieder der Weißen Rose lobte Meier-Gehring für deren humanistischen Haltung mit einem Lied von Konstantin Wecker: „Ihr habt geschrien, wo alle schwiegen…“ Viel Nachdenkliches also, aber auch Humorvolles, beinahe um Verständnis für das bayerische Rebellentum Werbendes hatte Meier-Gehring dabei: Sei es die Geschichte des Buchbinders Wanninger von Karl Valentin, das Gedicht von der Baugenehmigung von Helmut Zöpfl oder das Lied vom Söllner Hans über die Haarpracht: „Meine Haar wern oiwei länger. Oiwai kürzer mei Verstand…“ Da war es nur ein kurzer Schritt zur Biermösl Blosn: „Es muss ein Sonntag gwesen sein, ein Tag voll hellem Sonnenschein, es war ein Glückstag ganz gewiss, wia unser Bayernland entstanden ist.“ Aber ohne Grant geht’s auch da nicht. Auf „Panorama“ reimt sich schließlich „Preißn, Amis und Japaner“ und so war es wohl ein Montag, an dem der Herrgott das schöne Panorama geschaffen hat. Elisabeth Kirchner