Erl – Immer wieder ist es schön zu hören, wie altbekannte Musik neu belebt wird, wenn sie von jungen Musikern gespielt wird: das Geheimnis und die Freude des ersten Mals. So geschehen im Festspielhaus Erl, wo die neugegründete Tiroler Orchesterakademie ihr Abschlusskonzert gab. Eine Woche lang waren Musiker im Alter von 14 bis 24 Jahren zu Gast in Erl, wohnten in der Künstlerresidenz der Tiroler Festspiele und erarbeiteten unter namhaften Dozenten und unter der Leitung des erfahrenen Dirigenten Vinzenz Praxmarer gewichtige Orchesterwerke. Erfreulicherweise war der Saal sehr gut gefüllt, sodass die Musiker im verdienten Applaus baden konnten, den Praxmarer am Ende jeder Instrumentengruppe gönnte.
Instrumentengruppen präsentieren sich
Praxmarer hatte ein Programm gewählt, in dem sich die einzelnen Instrumentengruppen präsentieren konnten und am Schluss symphonisch zusammenfinden mussten. Die Blechbläser begannen mit der „Fanfare pour précéder ‚La Peri‘“ von Paul Dukas, mit sehr sauberer Intonation, rhythmisch präzise, mit sowohl strahlendem als auch weichem Klang und dem genauen Wissen, wann sie auftrumpfen und wann sie sich zurücknehmen mussten.
Die Serenade in d-Moll op. 44 von Antonín Dvorák vereinigt zehn Blech- und Holzbläser, dazu kommen noch Kontrabass und Cello. Fein abgestimmt war deren Gesamtklang, mit sehr spielfreudigen Klarinetten, wendigen und weichen Fagotten und Hörnern und guten Oboen, die ihre Passagen, vor allem im Andante, ruhig mutiger hätten aussingen dürfen.
Den marschartigen Beginn ließ Praxmarer sehr weich spielen, die vertrackte Rhythmik im quirligen Trio des Minuetto, einem Furiant, also einem tschechischen schnellen Tanz, machte den Musikern keine Schwierigkeiten und das Finale stürmte mit schmetternden Horntriolen flott dahin.
Die Streicher waren dann bei Vivaldi dran: Aus seinen „quattro stagioni“ kam der Frühling zu Wort und bot den Auftritt für den österreichischen Geiger Johannes Fleischmann, der auch als Dozent fungiert hatte. Erfahren und routiniert, mit flimmerndem und schimmerndem Geigenton und großen Körperbewegungen zum Orchester hin spielte er seinen Solo-Part. Das Streichorchester agierte unter der deutlichen Führung der erst 17-jährigen Konzertmeisterin Hannah Rief, die mit Fleischmann auf einer Niveau-Ebene zusammenspielte, hochanimiert, und schön akzentuiert in den Bratschen im Largo und überhaupt klanglich wie aus einem Guss: Die Dozenten hatten gut gearbeitet und ihre Schüler waren sehr aufmerksam.
Der Frühling kam nochmal zu Wort: Der deutsch-britische Komponist Max Richter hat Vivaldis „Jahreszeiten“ „recomposed“, also re-komponiert. Die drei Kontrabässe waren nun verdoppelt, das Cembalo schwieg und Vivaldis Musik war in ein Wärmebad getaucht, die Solo-Violine vor allem ergeht sich in „Repetive Patterns“ in Endlosschleifen, alles wirkt ein wenig wie Filmmusik: Vivaldi dekonstruiert und neu konstruiert. Auch diese Musik belebten die jungen Musiker mit anteilnehmender Neugier und Frische.
Die orchestrale Nagelprobe kam dann mit der 8. Symphonie von Dvorák. Da gilt es die rhapsodische Reihung der Motive gut miteinander zu verknüpfen. Dem viele Hilfen gebenden und äußerst präzise schlagenden Dirigenten Vinzenz Praxmarer gelang dies vorzüglich, die jungen Orchestermusiker ließen alles organisch ineinanderfließen und auseinanderwachsen. Hocherfreulich war, dass nach diesen Probentagen ein sehr homogener und trotzdem sehr transparenter Orchesterklang entstanden ist, der durch die vom Dirigenten gewählte amerikanische Aufstellung (alle Geigen links) begünstigt wurde.
Geigen schwelgten, Bläser blitzten
Dass die Pauke einmal zu lange nachklang, manche Streicher zu übereifrig-früh dran waren und die Flöten manchmal spitz klangen, ist zu vernachlässigen. Die Geigen nämlich schwelgten und schmelzten schön und sangen elegisch, tadellos blitzten die Blechbläser, der Wechsel vom Dreier- in den Zweiertakt im walzergeprägten Scherzo gelang wie selbstverständlich, und vor allem im jubilierend-fröhlichen und rhythmisch sehr straffen Finale vermittelten die jungen Musiker und zu fast zwei Drittel Musikerinnen die Freude des ersten Mals unmittelbar.
Dass auf den herzlich langen Beifall eine Zugabe erfolgte, war klar – aber eine etwas schneidigere oder vielleicht sogar fetzigere als das Adagio aus den „Enigma-Variationen“ von Edward Elgar hätte es schon sein dürfen. Auf das Abschlusskonzert im nächsten Jahr dürfen wir uns jetzt schon freuen.