Zwei Streichersextette für die Ewigkeit

von Redaktion

Beflügelnder Hörgenuss beim fünften Traunsteiner Sommerkonzert mit Werken von Korngold und Tschaikowsky

Traunstein – Gleich zwei Streichersextette standen am fünften Konzertabend der Traunsteiner Sommerkonzerte auf der Speisekarte für Musikliebhaber: Das Streichsextett in D-Dur, op. 10, von Erich Wolfgang Korngold (1897 bis 1957) und das Streichsextett d-Moll, op. 70, „Souvenir de Florence“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky. Und irgendwie wurde man im Hören und Fühlen den Verdacht nicht los, dass die Wetterkapriolen draußen sich in Musik widerspiegelten und, dass so manches Kontrastprogramm sich über die Jahrhunderte hinweg nicht geändert hat.

Im ersten Konzertteil funkelte Korngolds spätromantischer Kammermusikgenusshappen – und die Interpreten garnierten ihn mit Verve und Esprit: Sarah Christian (Violine), Johannes Strake, Wen Xiao Zheng, Jano Lisboa (Violen), Jan-Erik Gustafsson und Maximilian Hornung (Violoncelli) wussten, was zu tun war, damit Kammermusik wie Musiktheater wirkt. Schon die ersten Takte des Moderato Allegro räumten auf mit jeglichem Vorurteil, dass es einem erst 17-jährigen Komponisten an musikalischer Reife fehlen könnte. Die Geige klagte, erzählte ausdrucksstark von besorgniserregenden Umständen, die anderen Streicher brachten sich ins Thema ein, suchten intensiven Diskurs. Es herrschte Einigkeit, nicht nur in den musikalischen Themen, auch in der Interaktion mangelte es in keinem Moment an punktgenauen Absprachen – eine Offenbarung, wenn Musik auch von Nicht-Musikern „verstanden“ wird. Das langsame Adagio versetzte in eine ganz andere Stimmungslage: Die Musik atmete, seufzte, brachte den Zuhörer zum Träumen. Während die warmen Streicherklänge Weltschmerz verspüren ließen, schimmerte im gemeinsamen Klanggewebe des Sextetts immer wieder sachte das Thema durch, was zuvor verunsichert hatte. Im dritten Satz, dem Intermezzo, zeigte Korngold dann seine komische Seite: Ein liebevoll verstolperter Walzertakt wirkte wie ein ironischer Seitenhieb auf die Wiener Hochnäsigkeit – charmant, aber nie oberflächlich.

Das Finale lockte schließlich den letzten Zweifler aus der Reserve: Sechs Stimmen jagten einander durch rhythmische Finessen, lieferten harmonische Überraschungen und entfesselten am Ende Begeisterung pur.

Ob das noch zu toppen war? Tschaikowskys „Souvenir de Florence“ musste sich freilich nicht verstecken. Dieses Werk ist eine mehr als gelungene musikalische Abhandlung über Leidenschaft und Melancholie. Auch er spielt mit Fallhöhen, macht im Kontrastprogramm die großen Dinge des Lebens transparent. Ein zweites Mal an diesem Abend triumphierte das Fühlen über das Denken: Vom Allegro con spirito waren die Herzen weit gemacht. Im Adagio cantabile e con moto wurde es intim, die Instrumentalstimmen „sangen“ von romantischer Liebe, machten, wie menschliche Stimmen, nur ohne Worte, unmissverständlich klar, worauf es ankommt. Besser geht‘s nicht.

Das Allegretto moderato erfreute in tänzerischer Eleganz, wie eine Postkarte aus Florenz in russischem Dialekt, bevor sich im Allegro vivace, die Stimmen jagten und in einer Doppelfuge verschränkten. Da war keiner besser als der andere: Zwei Komponistengenies ließen, dank außerordentlicher Virtuosität der Interpreten, mit ihren Werken das Weltgeschehen für einen Abend ausblenden. Bravo! Kirsten Benekam

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