Den Menschen den Spiegel vorgehalten

von Redaktion

„Macht und Vergänglichkeit“ von Andreas Kuhnlein noch bis 31. Oktober auf der Burganlage in Burghausen

Burghausen – In der längsten Burganlage der Welt stellt der Holzbildhauer Andreas Kuhnlein unter dem Titel „Macht und Vergänglichkeit“ bis zum 31. Oktober viele seiner „Menschenbilder“ aus. Die Architektur der alten Burganlage tut das Ihrige dazu, dass Kuhnleins Menschenskulpturen – seien sie auch über menschengroß – so klein und zerbrechlich wirken. Besonders der „Einzug der Bischöfe“ im dritten Burghof – beinahe von jedem der Besucher fotografiert – stellt den „Stellvertreter Gottes“ und dessen übrige kirchliche Vertreter als Individuen dar.

Kuhnleins Porträts aus Hartholz, oft Esche, sind mit der Kreissäge gefertigt – ruppig zerklüftete Figuren. Sie zeigen trotz der Insignien der Macht wie Mitra und liturgischen Gewändern, Reichsapfel oder Szepter die unverwechselbaren menschlichen Charaktere, die allesamt offensichtlich auch schwach, zerbrechlich, vom Alter gebeugt und vor allem vergänglich sind. Viele der Figuren hat der Künstler bereits vor Jahrzehnten gefertigt und sie für Ausstellungen schon in viele Länder transportiert.

Die Ausstellung auf der Burg zeigt die Weltsicht und das Anliegen des Unterwössener Bildhauers Andreas Kuhnlein, das hinter seinem gesamten Kunstschaffen steht, besonders eindrucksvoll. Der 1953 geborene Künstler möchte der Welt gleichsam den Spiegel vorhalten und Einsichten auslösen. Das war in allen seinen Einzelausstellungen – inzwischen in 16 Ländern und Ausstellungsbeteiligungen – der Fall.

Kuhnlein will zeigen, dass der Einzelne so oft nur sich selbst, seine eigenen Überzeugungen und Vorstellungen sieht und alles dafür tut, jedoch das große Ganze und die Mitmenschen dabei jedoch völlig außer Acht lässt. Im vierten Vorhof der Burganlage sind Herzogin Hedwig und Herzog Georg der Reiche in Holz gearbeitet zu sehen, im zweiten Vorhof Äbte, Gerichtsbarkeit, Bauern und Kaufleute.

Großen Wert legt Kuhnlein darauf, junge Menschen, zum Beispiel Schulklassen, an die Kunst heranzuführen, sie auch Mitmenschen verständlich zu machen, die keine großartige Vorbildung, aber ihren gesunden Menschenverstand bewahrt haben. Dazu eignen sich seine Werke hervorragend.

Kuhnleins Arbeiten zeigen einerseits die Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit, andererseits die Brutalität und Gewalttätigkeit des Menschen gegeneinander und gegenüber der Natur. Dieses tiefe, ernste Anliegen des Künstlers spüren die Betrachter bei seinen Skulpturen. Sein Engagement äußert sich nicht als isolierte künstlerische Eruption, sondern als wirkliche Dialogbereitschaft, als verständliches Zeichen, aber auch als Appell an die Betrachter. So ist sich Andreas Kuhnlein niemals zu schade, mit einem Interessierten zu sprechen, niemals tritt er als „abgehobener“, arroganter Künstler auf – der Ruhm ist ihm nicht zu Kopf gestiegen.

Denn von Ruhm kann man bei dem Werdegang dieses Autodidakten inzwischen wirklich sprechen. Vor etwa 35 Jahren fanden in Unterwössen und in Schleching Kuhnleins erste Ausstellungen statt. Es gab viele Auszeichnungen, darunter eine Gastprofessur in China oder den oberbayerischen Kulturpreis. Schon längst kann Kuhnlein nicht mehr alle Aufträge und Angebote für Ausstellungen in aller Welt annehmen.

Christiane Giesen

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