Herbstmilch und wilde Blumen

von Redaktion

Das „Ensemble mosaïque“ huldigt im Künstlerhof dem Sommer

Rosenheim – Wenn eine Formation aus Flöte, Harfe und Streichtrio antritt, um ein französisch unterfüttertes Programm aus dem Hut zu zaubern, dann sind die Musiker – in diesem Fall vier Musikerinnen und ein männlicher Kollege – ausgefuchste Virtuosen. Zugleich müssen sie die farbig blitzende Klangpalette verinnerlicht haben, um die intensive Leuchtkraft dieser Musik zum Klingen zu bringen.

Vivaldi
frisch aufpoliert

Das „Ensemble mosaïque“ mit Alice Guinet (Flöte), Barbara Pöschl-Edrich (Harfe), Maria Andersohn (Violine), Julia Ruge (Bratsche) und Michael Weiß (Cello) hat sofort mit dem ersten Stück das Publikum in Begeisterung versetzt. Der schon so oft gehörte Sommer von Antonio Vivaldi erschien durch die Bearbeitung der Interpreten wie frisch aufpoliert: Eine Hommage an den Sommer, wie man sie sich authentischer nicht wünschen könnte.

Der Franzose Gabriel Pierné, ein Freund von Debussy, breitete mit seinen „Variations libres“ gleichsam einen in delikaten Pastellfarben gehaltenen Gobelin aus – die Motive und Melodien immer fasslich und geschmeidig, ohne ins Beliebige abzudriften.

Als Michael Weiß die „Sonaten für Cembalo“ von Domenico Scarlatti ankündigte, die in einem Arrangement von Jean Francaix vorliegen, räsonierte er darüber, wie wohl Scarlatti diese Bearbeitung gefallen hätte: Wäre er im Grab rotiert oder gehüpft? Beim animierten Publikum sprang der Funke sofort über; es votierte unzweifelhaft auf Letzteres. Es glitzerte die Harfe, die Flöte jubelte hell und brillant und die Streicher warfen sich blitzschnell die Bälle zu, denn Pizzicati und Tremoli sollen ja punktgenau ihre Pointen setzen. Eine Musikwissenschaftlerin bezeichnete diese Sonaten als „Wilde Blumen am Zaun der Klassik“. Daher auch das Motto dieses Abends.

Das Streichtrio durfte nun als homogener Klangkörper auftreten. Dazu hatten sich Violine, Viola und Cello ein Fragment von Franz Schubert ausgesucht. Der damals 19-Jährige ließ sein Werk wohl unfertig in der Schublade, weil ihm die Vorbilder Haydn und Mozart zu dominant schienen. Schade! Denn gerade der zweite Satz ist beseelt von dieser tränentreibenden, wiewohl keineswegs sentimentalen Melancholie, wie sie nur Schubert zu Gebote stand. Die Musiker gaben den nötigen Schmelz durch zarteste Tönung der Akkorde. Bei Marcel Tournier, der noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte, waren die Hörer wieder weich gebettet auf impressionistisch anmutenden Klängen. „Soir“, ein ruhiges Stimmungsbild mit innigem Charme, „Danse“, rhythmisch reizvoll akzentuiert, und erst bei „Fete“ öffneten sich die Schleusen und ein Wirbel von köstlichen Einfällen überraschte die Hörer bis zum effektvollen Schluss.

Berührende Kammermusik

Nach so viel Vivace und Esprit nun als Finale etwas „nicht Fröhliches“, warnte der Komponist Enjott Schneider in seiner sehr persönlichen Einführung. Doch Schneiders ursprüngliche Filmmusik zu dem Kultfilm „Herbstmilch“, nach dem Buch der unvergessenen Anna Wimschneider, geriet in der Bearbeitung des Komponisten extra für die Besetzung des „Ensemble mosaïque“ zu einer attraktiven, gleichwohl berührenden Kammermusik. Ein trotz aller gedämpften Töne intensiver und spannungsvoller Abschluss eines besonderen Konzerts. Viel Publikum, viel Beifall und eben doch noch eine Zugabe – eine der „Wilden Blumen“. Schön!

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