Traunstein – Mit einer anspruchsvollen Ausstellung in vielerlei Hinsicht wartet die städtische Galerie in Traunstein in einer aktuellen Schau auf, die noch bis 12. Oktober im Kulturforum Klosterkirche zu sehen ist. Unter dem Titel „Mehrkörpersysteme“ präsentieren dort die beiden Künstlerinnen Claudia Weber aus Traunstein und Nina Annabelle Märkl aus München „Kippmomente zwischen Figur und Raum“ – so der Untertitel.
Komplexe
Botschaften
Als Besucher ist man gefordert, weil die beiden Künstlerinnen ihre komplexen Botschaften, Anregungen und Impulse auf hohem Niveau und gleichzeitig auf mehreren Wahrnehmungsebenen parallel angesiedelt haben. Doch die Auseinandersetzung lohnt, auch wenn die Kunstwerke und die Gesamtinszenierung vielleicht etwas mehr Zeit als sonst brauchen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Letztendlich bleibt vieles geheimnisvoll und rätselhaft, das sich dem gedanklichen oder emotionalen Zugriff entzieht. Von daher mag man den Ausstellungsbesuch in etwas gewagter Manier mit dem Durchschreiten eines raffiniert arrangierten Rätselparcours vergleichen, wie er in „Escape Rooms“ Hochkonjunktur hat.
Claudia Weber nähert sich dem Thema Figur und Raum in großformatigen Zeichnungen, die den Blick auf verschiedene Innenräume lenken, die einer Art Guckkastenbühne ähneln. Ornamentale und serielle Elemente sowie gitterartig-perspektivische Konstruktionen lassen den Betrachter über die tatsächliche Raumsituation im Unklaren. Gegenstände, die nur auf ihre Umrisszeichnung reduziert sind, und nur teilweise ausgeführte Oberflächenstrukturen verstärken den Eindruck einer beinahe schwindelerregenden Wahrnehmung. Zugleich bevölkern dynamische Körperstrukturen voller Energie diese Räume. Ein in Giacometti-Manier entstehender Umriss aus Tausenden von skizzenhaft gesetzten Bleistiftlinien lässt die Körper wie pulsierende Kraftzentren erscheinen. Durchaus sozialkritisch ist ihr Projekt „Ecmobrains“ zu verstehen. Weber hinterfragt darin sowohl in Form von computergenerierten „Hybridkunstwerken“ unter Verwendung alter Werbevorlagen wie auch als gedrucktes Pseudo-Werbeprospekt in Hochglanz die Mechanismen des Werbemarktes und der modernen Konsumwelt. Gruseleffekte sind durchaus einkalkuliert, wenn man liest, wie uns chemisch-psychische Hilfsmittel zur Hirnoptimierung dabei helfen, die perfekten Konsumenten zu werden.
Grusel, Verstörung und Befremden, aber auch Faszination und Neugier sind Begrifflichkeiten und Kategorien, mit denen Nina Annabelle Märkl operiert. Sie hat den ganzen Raum im zweiten Stockwerk als begehbare Installation gestaltet. Zwischen Zeichnungen an den Wänden und solchen, die auf weißen Leinwänden wie Raumteiler von den Deckbalken herabhängen, wandelt der Besucher durch die ihm fremde, hypnotisch wirkende Welt. Darauf zu sehen sind seltsam verrenkte, tentakelhafte Körper, die an unter dem Mikroskop vergrößerte Parasiten oder Insekten erinnern, oder an losgelöste Gliedmaße, Augen oder surrealistisch verzerrte Figuren.
Nicht weniger „speziell“ wie auch virtuos sind aus Draht, Stoff, Farbe und Modelliermasse gebildete Objekte, die auf ausgebreiteten Aluminiumblechen am Boden oder in Halterungen den Raum bevölkern oder vielmehr „besiedeln“. Man fühlt sich an „Aliens“ erinnert. Märkl spricht dabei von „Karnivoren“, also fleischfressenden Lebewesen, die trotz ihrer Abstraktheit beklemmend lebendig wirken. Man hofft, dass der Raum nach Ausstellungsende gut abgeschlossen wird.
Im Ausloten des Raums zwischen wiedererkennbaren und fremden Formen weiß Märkl virtuos die Vorstellungswelten der Psyche und des Unbewussten im Betrachter zu aktivieren. Ein Reiz, dem man sich schwerlich entziehen kann.