Fesselnde Hörkrimis im Foyer

von Redaktion

„Festivo“-Sternstunde mit Dmitri Schostakowitsch und Robert Schumann bei Schattdecor

Rohrdorf – Wenn Dmitri Schostakowitsch aufrichtig und ehrlich leidet, klingt es jüdisch. Mit dem jüdischen Volkston zeichnet der sowjetrussische Komponist einen positiven Gegenentwurf zum negativen, martialisch stampfenden russischen Volkston. Auch das gehörte zu seiner subversiven Strategie. Das Klaviertrio Nr. 2 ist das erste Werk, in dem Schostakowitsch den jüdischen Volkston für sich entdeckt und semantisch erschließt.

Historische
Zäsur

Ein Zufall ist das nicht, denn: Als Schostakowitsch dieses Werk 1944 komponierte, hatte die Welt vollends vom Völkermord der Nazis an den Juden in Europa erfahren. Gleichzeitig verschärfte sich in der Sowjetunion unter dem Diktator Josef Stalin die antijüdische Stimmung. Dagegen protestiert Schostakowitsch, indem er fortan in seinem Schaffen einerseits im russischen Volkston eine Fratze des Bösen zeichnet und andererseits jüdisch leidet.

Heute, 50 Jahre nach Schostakowitschs Tod, wirkt beides so aktuell wie schon lange nicht mehr. Als das Klaviertrio Nr. 2 jetzt bei „Festivo“ im Foyer von Schattdecor in Thansau bei Rohrdorf erklang, stockte einem buchstäblich der Atem. Das lag auch an der schonungslos konsequenten, ehrlichen Interpretation von Dejan Lazic am Klavier sowie des Geigers Benjamin Schmid und Enrico Bronzi am Cello. Da wurde nichts verharmlost oder geschönt. Gleich zu Beginn des Kopfsatzes erwuchs im Cello ein jüdischer Klagegesang mit fragil-jenseitigen Flageolett-Klängen. Im Finalsatz wandelte sich der jüdische Rundtanz zu einem makabren Totentanz. Dazwischen wurde im Largo die Passacaglia zu einem Grabmal für alle Opfer von Krieg, Terror und Gewalt. Im Schattdecor-Foyer herrschte beklemmende Stille.

Nur wenige Stunden vor dem „Festivo“-Konzert am Donnerstag war es in Manchester zu einem antijüdischen Terroranschlag gekommen. Die Welt ist gegenwärtig komplett aus den Fugen, und da können Werke wie Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 viel Trost spenden. Sie müssen nur derart intensiv ausgestaltet werden wie jetzt bei „Festivo“. Eine Ereignisdichte wurde da erreicht, die eine direkte Brücke zum Klavierquintett von Robert Schumann schlug.

Für dieses Werk wurde das Trio um die Geigerin Zen Hu ergänzt, an der Bratsche zudem „Festivo“-Leiter Johannes Erkes. Das Herzstück von Schumanns Klavierquintett ist der zweite Satz. Er entpuppt sich als Trauermarsch. Bei „Festivo“ wurde ganz direkt hörbar, wie sehr dieser Trauermarsch sämtliche Gefühle und Ausbrüche in sich vereint. Ein besonderes Kolorit schenkte der verdüstert-schattenhafte Bratschenklang von Erkes.

Tückischen Spagat
bewältigt

Wie sehr Lazic ein Exeget allerhöchster Güte ist, zeigte sich zuvor mit zwei Klavierwerken von Wolfgang Amadeus Mozart. In der „Fantasie“ KV 397 und dem „Rondo“ KV 485 gelang dem aus Kroatien stammenden Pianisten der tückische Spagat zwischen klassischer Entschlackung, dramatischer Durchdringung und bereits romantischer Innenschau. An diesem Mozart konnte man sich nicht satthören: absolut stupend!

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