Neubeuern – Ziemlich viele Leute kamen bereits zur Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung in die Galerie am Markt, zu der Ulrike Kirchner die Keramikerin Helga Zellner als Gast eingeladen hat. Bereits 2022 haben die beiden Künstlerinnen unter demselben Titel in der Galerie am Markt ausgestellt.
Ulrike Kirchner hat durch ihr Geografiestudium, ihr Geburtsland Chile und durch viele Reisen einen Blick dafür, dass es trotz der vielen Menschen in der Welt kein Gedränge geben muss, sondern alle in ihrer Vielfalt einen Platz haben.
In den ausgestellten Collagen zeigen sich ihre vielfältigen Arbeitsweisen. Sie bearbeitet auf Leinwand und Eisen Fotografien, Zeichnungen und Zeitungsausschnitte mit Acryl- und Aquarellfarben und Wachs in vielen Schichten. Zwischen jede Schicht kommt flüssiges Wachs. Durch diesen Effekt wirkt das Wachs wie ein Schleier, der den Hintergrund durchscheinen lässt. Die letzte Schicht ist immer eine hoch und uneben aufgetragene Wachsschicht. Dadurch entsteht optisch ein dreidimensionales Bild, das den Eindruck erweckt, dass die Personen im Vordergrund, die zum Teil über den gesetzten Rahmen des Bildes hinausragen, das Geschehen im Bild beobachten.
Die Künstlerin malt ihre Hintergründe, die Gegenstände und die Figuren nicht mit dem Pinsel, sondern mit den Fingern. Das erhöht den Eindruck der Farbigkeit, lässt die Gesichter der einzelnen Personen trotz der vermeintlichen Gemeinschaft und Geselligkeit anonym erscheinen und hebt trotzdem ihre besonderen Eigenschaften hervor.
Besonders beachtenswert sind die Collagen der Markttage in Marokko. Trotz der abgewandten Gesichter, der Schleier und der wallenden Gewänder ist die Geschäftigkeit zu spüren. Auffällig ist bei den anderen Bildern aber auch, dass, bei der vermeintlichen Offenheit der westlichen Gesellschaft, auf Reisen, in den Restaurants, den Beachbars, den Straßencafés und am Strand, nur die vorwitzigen Girls den Betrachter anschauen. Auch hier bleiben die Gesichter abgewandt oder hinter Sonnenbrillen und Smartphones verborgen.
Bei der Keramikerin Helga Zellner fließen, wie die Laudatorin Ulrike Gierlinger treffend bemerkte, die Gestalten aus Ton aus ihrem Kopf sozusagen in die Finger hinein. Jede Figur ist ein absolutes Unikat. Es gibt keine Formen und keine Zeichnungen dazu. Auch der vermeintliche Farbanstrich ist kein nachträglicher Farbauftrag, sondern die Figuren werden schon farbig gefasst, bevor sie gebrannt werden. Diese Technik wird Engobe genannt. Engoben, eine faszinierende Komponente in der Welt der Keramik, sind fein vermahlene Tone, die mit Farbkörpern und/oder Oxiden angereichert sind. Diese speziellen Mischungen finden ihre Anwendung auf lederharten, ungebrannten Tonstücken, wo sie nach dem Rohbrand eine matte und leicht raue Oberfläche hinterlassen. „Das Besondere dabei ist“, so Helga Zellner, „dass es oftmals Überraschungen gibt, welche Farben nach dem Brennvorgang zu sehen sind.“
Zellners Figuren sind vorwiegend weiblich und erscheinen in ihrer Haltung sehr lässig und entspannt. Aber bei näherem Hinsehen entdeckt man doch durch den Gesichtsausdruck und die übergeschlagenen oder eng zusammenstehenden Beine eine Anspannung und Zurückgezogenheit. Auch durch den „Dialog“ der von der Künstlerin immer neu zusammengestellten Skulpturen, entsteht nicht immer Gemeinsamkeit, wie man bei der Figur „Unter blauem Himmel“ ganz deutlich sieht. Die beiden Frauen sehen nicht nur so aus, als ob sie sich total zerstritten hätten, auch der Sockel symbolisiert den Riss zwischen den beiden. Sogar bei der „Kunst des Treibens“ ist die Angst vor einem eventuellen Hindernis spürbar. Bei den Badenden „Wasser-Farben“ und „Sonnengelb“ weiß man es nicht so genau. Nur die „Entspannte“ ist wirklich entspannt.
Obwohl auf den ersten Blick die Figuren von Zellner im Vergleich zu Kirchners „bevölkerten“ Collagen ziemlich einsam und allein erscheinen, bemerkt man doch am Ende, dass Einsamkeit keine Frage des Alleinseins ist.Edith Riedl