Goethe und Napoleon: zwei ebenbürtige Heroen

von Redaktion

Vortrag von Historiker Thomas Schuler bei der Goethe Gesellschaft Rosenheim

Rosenheim – „Über Napoleon sind mit Ausnahme von Christus die meisten Bücher geschrieben worden, etwa eine Million“, erklärte der Historiker Thomas Schuler zu Beginn seines reich mit Bildern versehenen Vortrags „Goethe und Napoleon“ im Künstlerhof am Ludwigsplatz. Schuler sprach auf Einladung der Goethe Gesellschaft Rosenheim.

„An dem Mann scheiden sich die Geister“, so Schuler über Napoleon. Der preußische Patriot Kleist hätte ihn am liebsten tot gesehen, und Tolstoi bezeichnete ihn in seinem Roman „Krieg und Frieden“ sogar als Antichrist. Von Goethe gäbe es laut Schuler sieben Seiten heroisierend positive Zitate über Napoleon, in denen die Bewunderung des Weimarer Dichters zum Ausdruck komme.

Zweimal hat Goethe Napoleon anlässlich des Fürstenkongresses 1808 in Erfurt getroffen. Beide begegneten sich auf Augenhöhe und sahen im jeweils anderen einen großen Mann. Napoleon, der den Werther mehrfach gelesen haben soll, verlieh Goethe das Kreuz der Ehrenlegion, das der Dichter auch noch getragen hat, als Napoleon längst besiegt war.

Ein wenig sprunghaft führte Schuler das Publikum durch das Leben der beiden Heroen. In Italien hätten beide einschneidende Erlebnisse gehabt, Napoleon militärisch und Goethe literarisch. Napoleon war bereits mit 26 General der Italienarmee. Zusammen mit Carl August erlebte Goethe die Kanonade von Valmy, als die Alliierten von Napoleon zum Rückzug gezwungen wurden, was Goethe zu dem berühmten Zitat veranlasste: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen“ . Mutig und furchtlos habe Napoleon die Pestkranken in Jaffa besucht. Goethe dazu bewundernd: „Napoleon hat Recht.“ Als der Buchhändler Palm 1806 in Braunau von den Franzosen wegen eines gegen Napoleon gerichteten Pamphlets erschossen wurde, habe das Goethe begrüßt. „Napoleons Frankreich hatte einen soliden Staatshaushalt“, erklärte Schuler. Zudem sei es das freieste Land Europas gewesen. Es komme darauf an, sich nicht nur verstandesmäßig, sondern auch durch einen stilleren Zutritt mit der Geschichte zu beschäftigen. So würden andere Antworten entstehen. Entgegen vieler Annahmen habe Napoleon nur zwei Angriffskriege geführt, gegen Russland und Spanien. „Goethe hat noch 1813 fest an den Sieg Napoleons geglaubt“, so der Referent. Bis zu seinem Tod habe der Dichter den Korsen bewundert. Das Beispiel Napoleons habe, so sah es Goethe, den Egoismus aufgeweckt. Der Ausführung einer Idee habe er alles geopfert.

Georg Füchtner

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