Bruckmühl – Heiter und optimistisch, aber mit Tiefgang und hohem künstlerischen Anspruch präsentiert sich die farbintensive Ausstellung von Mary Kim und Carolin Leyck. „Figure and Ground“ lautet der Titel, der nahelegt, dass Figürliches in Bild und Skulptur zu sehen ist, verhaftet auf Grund und Boden. Letzteres bezieht sich auf die hölzernen Arbeiten der Bildhauerin Mary Kim. Einige Objekte hängen an der Wand, aber viele stehen in direktem Kontakt – ohne Sockel – auf dem Parkett.
Mary Kim wuchs in Korea auf, hatte in den USA ihre Ausbildung in Kunst und Architektur und lebt und arbeitet in München. Ihre Skulpturen besitzen streng geometrische Formen, die aber durch expressionistisch gewählte Farben gemildert werden. Die Holzleisten sind häufig so aneinandergesetzt, dass sie gekippt mit der Kante nach vorne weisen, und jede Seite der Leisten ist in einer anderen Farbe gestrichen. Mary Kim ist mit mehreren Themenkreisen vertreten, beispielsweise mit einer Reihe von Arbeiten mit dem Titel „Odradek“. Odradek ist eine Fantasiefigur aus einer frühen Geschichte von Franz Kafka, halb einem Tier ähnelnd. Er hat die Form einer großen Garnspule mit seitlich herausragenden Elementen. Obwohl er sich bewegen und sprechen kann, bleiben sein Sinn und seine Bedeutung unverständlich. Mary Kim spürt dessen Aussehen in verschiedenen Formen nach, mal in dem großen, farbigen Odradek-Tower, mal in kleineren Gebilden, die nicht farbig angelegt sind. Andere Titel lassen keine Schlüsse zu, die Vorstellungskraft des Betrachters ist gefragt. Der schlichte, hölzerne Kranz in tiefem Dunkelblau – aus mehreren Stäben aneinandergesetzt – regt zu verschiedenen Überlegungen an: der Jungfernkranz aus veilchenblauer Seide, der Lorbeerkranz aus der Antike oder die Dornenkrone Christi? Auf jeden Fall ein Gebilde, das in hohem Maß der Ästhetik verschrieben ist wie alle Werke von Mary Kim. Und dann gibt es im ersten Stockwerk noch die mit Hilfe von Folie verspiegelten Wandobjekte, die Licht und Bewegung einfangen und wiedergeben – ein Panorama der Zustände im Raum.
Obwohl in einem gänzlich unterschiedlichen Kulturkreis aufgewachsen, klingen die Werke der beiden Künstlerinnen wunderbar zusammen.
Carolin Leyck lebt und arbeitet in München und hat dort bei Jerry Zeniuk als Meisterschülerin ihren Abschluss gemacht. Sie malt mit Pigment und Acryl auf Leinwand, selten auf Holz. Sie kreiert Figuren, die manchmal an menschliche Wesen erinnern. Das erste Bild der Ausstellung ist eine schwebende Gestalt, die durch ihre „Füße“ auffällt und die ein geöffnetes Buch durch die Lüfte schwingt. Aber das liegt im Auge des Betrachters, es kann sich auch um ein Werk handeln, das in kreativer Weise Farben in geschlängelten oder tanzenden Linien nebeneinander setzt. Immer sind die sichtbaren Pinselstriche ein wesentliches Element in Carolin Leycks Gemälden, genauso wie die überschüssigen Pigmentreste, die als erhabene Punkte auf der Oberfläche stehen bleiben. Das schafft bei manchen Bildern eine dritte Dimension. Die Wahl der miteinander im Bild kombinierten Farben ist kräftig und leuchtend. Carolin Leyck trägt sie entweder auf hellem Untergrund oder auf tiefblau-schwarzem auf. Der dunkle Untergrund lässt die Farben regelrecht vibrieren. Auch ihren Arbeiten liegt Literatur zugrunde: Sie lehnt sich an ein Essay des japanischen Autors Jun‘ichiro Tanizaki „Lob des Schattens“ an, das bereits im Jahr 1933 erschien und bis heute Gültigkeit hat. Das Buch beschäftigt sich unter anderem mit Licht- und Schattenverhältnissen im Innen- und Außenbereich. Hier steht die Farbe Schwarzblau im Zentrum.
Der Essayist und Publizist Wilhelm Warning versicherte in seiner Einführungsrede: „Die Ausstellung zeigt uns eine Zwiesprache, einen künstlerischen Dialog, den wir intensiv miterleben können, sind doch die Werke aufeinander bezogen präsentiert“.
Die Ausstellung dauert bis Sonntag, 23. November, geöffnet Samstag und Sonntag, 11 bis 18 Uhr, und Mittwoch, 14 Uhr bis 18 Uhr. Sonnenwiechser Straße 12, Bruckmühl, www.galerie-bruckmühl.de, Telefon zu den Öffnungszeiten 08062/ 5307.Ute Bößwetter