Rosenheim – Die Trompeten und Posaunen rufen scharf und schneidend zum Jüngsten Gericht, von der punktgenauen und doch fein abgetönten Pauke grundiert, das synkopische Oktavenmotiv in den Geigen zackt sich hinauf, die Geigen seufzen im „Lacrimosa“ melancholisch schön und die Bassetthörner sorgen zusammen mit den Fagotten für den dunkelwarmen Orchesterklang: Ein gutes Orchester ist für das Mozart-Requiem schon die halbe Miete.
Musikalische Verstärkung
durch Capella München
So hat Michael Gartner gut daran getan, für das Konzert in der Christkönigkirche die Capella München zu engagieren, ein aus meist jungen hochengagierten Musikern bestehendes Orchester, das der aus Oberaudorf stammende Organist Johannes Berger gegründet hat. Jetzt wäre natürlich der Vergleich interessant: Das Konzert wird am 9. November in der ehemaligen Klosterkirche Rott wiederholt, mit demselben Chor, aber mit dem Freien Landesorchester Bayern.
Der großbesetzte Chorkreis St. Quirinus entwickelte beachtliche Klangkraft, die die große, gut gefüllte Kirche mühelos füllte. Die Kraft entlud sich zum Beispiel gleich im Kyrie mit energischem Beginn des Fugenthemas sowohl in den Bässen als auch in den Tenören. Mit einem verzweifelten Schrei auf dem vollverminderten Gis-Septakkord vor dem Schluss-„Kyrie“ mit dem leeren d-Moll-Akkord deutete der Chor schon die Angst vor dem Jüngsten Gericht an.
Mit Urgewalt und fast zorniger Verve brach dann das „Dies irae“ los, die Beschreibung des Tags des Zornes und der Tränen. Blockhaft-majestätisch beschwor der Chor die schreckliche Königsgewalt des Richters („Rex tremendae majestatis“), balsamisch flehten die Männer- („Salva me“) und dann auch die Frauenstimmen um Gnade und später („voca me“) zur Seligkeit. Das – nicht mehr von Mozart, sondern von Franz Xaver Süßmayr stammende – Offertorium nahm Gartner recht rasch und flüssig. Gut einstudiert zeigte sich der Chor und immer wieder feuerte Michael Gartner ihn mit großen Gesten an.
Solisten in
harmonischem Quartett
Die Solisten (bis auf die Sopransolistin Quirinus-Eigengewächse: Yvonne Steiner, Luitgard Hamberger, Herbert Gruber und Thomas Hamberger) vereinigten sich zu einem harmonischen Quartett, was sich vor allem im lyrisch betenden „Recordare“ zeigte. Yvonne Steiner begann den Solo-Reigen mit geschulter, aber nicht überbetonter Opernstimme, Thomas Hamberger war in „Tuba mirum“ ein wohltönender und eher milder Posaunen-Rufer, während Herbert Gruber erschreckend durchdringend schilderte, wie Tod und Natur erschauern („Mors stupebit“). Luitgard Hamberger rundete alles harmonisch ab.
Immer wieder überlegen sich die Dirigenten: Was fügen wir dem Mozart-Requiem bei, das eine gute Stunde dauert – als ob dies nicht genügen würde. Gartner hatte sich für das „Adagio for strings“ von Samuel Barber entschieden, das spätestens nach seiner Verwendung zum Gedenken an 9/11 als ultimative Trauermusik gilt. Die Capella München begann ganz zart wie aus dem Nichts, fast zögernd zart, um sich dann groß zu entfalten bis in gleißende Höhe. Der Höhepunkt aber war erreicht, als das schöntönige Cello nachdrücklich die Melodie übernahm. Und was macht man, wenn der herzliche Applaus schier kein Ende nehmen will? Chor und Streicher beendeten das beeindruckende Konzert mit dem „Ave verum“ von Mozart: schön und schlicht fließend.