„Aba wiagale, woigale…“

von Redaktion

Aus der Volksmusikpflege Nachmittag mit geselligen Liedern aus der Sammlung vom Kiem Pauli im Oberland

Bruckmühl – Am Sonntag, 9. November, um 14 Uhr erklingen im historischen Lukas-Hof im Markus-Wasmeier-Freilichtmuseum Lieder, die der Kiem Pauli (1882-1960) vor 100 Jahren im Oberland aufgeschrieben und damit vor dem Vergessen bewahrt hat.

An diesem Sonntag ist in Schliersee der Leonhardi-Ritt. Wie jedes Jahr haben die Besucher an diesem Tag freien Eintritt ins Museum – eine noble Geste von Markus Wasmeier, der die heimischen Traditionen hoch- hält.

Alle Besucher, die bei diesem geselligen Singen mit Ernst Schusser und Eva Bruckner mitmachen wollen, erhalten Liederblätter vom „Förderverein Volksmusik Oberbayern“ mit den alten Liedern aus der „Sammlung Oberbayerischer Volkslieder“, die der Kiem Pauli 1934 veröffentlicht hat.

Und noch ein besonderes „Schmankerl“ gibt es: Martin Prochazka aus Fischbachau spielt auf seiner Gitarre Landler und Weisen, die der Kiem Pauli vielleicht auch seinem Förderer Ludwig Thoma (1867-1921) in der Bauernstube vorgespielt hat.

„Hätt i net an so an großn Wetzstoa,

hätt i net a so a große Schneid;

hätt i net a so a saubers Deandl,

hätt i net a so a große Freud.“

Im August 1925 lernten sich der Volksmusikforscher Prof. Dr. Kurt Huber (1893-1943) und der Sänger und Musikant Kiem Pauli in Schliersee kennen. Sie beschlossen, von da an auch gemeinsam Lieder zu sammeln – neben den eigenen Volksliedarbeiten: Kiem Pauli wird von den Wittelsbachern in Bad Kreuth bestärkt, die alten überlieferten Lieder der Vorfahren festzuhalten – „ehe sie verklingen“.

Kurt Huber, der 1943 von den Nationalsozialisten wegen seiner Unterstützung des studentischen Widerstands der „Weißen Rose“ verhaftet, verurteilt und in Stadelheim hingerichtet wurde, ist im Auftrag der „Deutschen Akademie“ als Wissenschaftler zur Erforschung der heimischen Volksmusik unterwegs.

„Ins Gäutal eini geh i jagern,

bei der schwarzn Wand,

da is mei Kuglstand,

koa Fuchs, koa Has,

koa Deandl schleicht ma zua,

ja i woaß scho,

was i tua. …“

Dieses Lied haben die beiden Sammler wohl im Herbst 1925 in Schliersee aufgeschrieben und 1930 in ihrem gemeinsamen Liederbüchl „Oberbayerische Volkslieder mit Bildern und Weisen“ in der überlieferten Zweistimmigkeit herausgegeben – mit der Anmerkung: „Vorgesungen von Sebastian Schönhuber und Sepp Staber , Schliersee 1925“.

In unserer aktuellen „Volksmusik-Zeitung“, die die Besucher an diesem Sonntagnachmittag kostenlos erhalten – so lange der Vorrat reicht – haben wir über das Zusammentreffen von Huber und Kiem 1925 detailliert geschrieben. Huber notiert: „Samstag, 30. August. Neuhaus. Kiem Pauli! Köstliche Stimmung beim Terofal. Kerzenbeleuchtung … Kiem Pauli ca. 40 Jahre alt.“

Dies war ein Schicksalstag für die Volksmusikpflege in Oberbayern, den wir bis heute spüren können. Ohne die Arbeit von Huber und Kiem gäbe es wohl heute keine so reichhaltige Volksmusik.

„Über‘s Loaterl, da steig i net aufi,

da Gangsteig, der is ma z‘hoch drobn,

geh‘s liaba durch d‘Labn sche leise

zu mein Deandl, da bin i‘s vorn dro.“

Ja, die Lieder über das Miteinander von Deandl und Buam sind reichhaltig vertreten in der Sammlung von Huber und Kiem. Und diese Gsangl sind wahrlich herumgewandert im Alpenland. So scheint dieses auch in Schliersee 1925 und bis heute in Oberbayern bekannte Vierzeilerlied wohl aus Kärnten zu stammen – aber überall wurde es mit eigenen lokalen und persönlichen Strophen verbunden. Gleich bleibt aber der Kehrreim mit dem Ratschlag zum Fensterln:

„Muaßt halt a wengal schleicha,

muaßt die duckn beim Zaun.

Muaßt hat a wengal pfeifa,

werd wohl außi geh schaugn.“

Und dann kommt der hoffnungsvolle Ausklang mit Blick auf eine Liebesnacht:

„Aba wiagale, woigale,

woigale her zu mir,

heut bist mei Woigale,

morgen nix mehr!“

Wohl eine der bekanntesten dieser Liedaufzeichnungen ist das „Fuhrmannslied“, von dem Kiem 1934 in seiner „Sammlung Oberbayerischer Volkslieder“ schreibt: „Vorgesungen von Sepp Schönhuber und Sepp Poschner in Schliersee, aufgenommen von Herrn Prof. Kurt Huber, München 1925.“

„In da Fruah, wann da Hoh macht an Krahra,

da steck i mei Köpferl auf d‘Höh.

I bin halt a Fuhrmo, a schwara,

nimm d‘Peitschn in d‘Hand

und schrei he! …“

An diesem Sonntagnachmittag, 9. November 2025, wollen wir gemeinsam eintauchen in die volksmusikalische Welt im Oberland, voller emotionaler Erfahrungen mit den Liedern und Melodien unserer Vorfahren vor 100 Jahren, die heute durch uns wieder lebendig werden und bleiben. Ein Anspruch von Kiem findet sich in den Notizen von Huber (September 1925), den es auch gut heute zu beherzigen gäbe:

„Kiem will eine Sammlung echter bair. Lieder herausgeben, ohne Anspruch auf finanziellen Erfolg. Seine Sammlung muß erworben werden. … K. verlangt keinerlei finanzielle Entschädigung, gäbe sein Material gegen eine solche nicht heraus.“

Geld ist nicht alles, die Kultur der Heimat lässt sich nicht finanziell aufwiegen.

ernst schusser

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