Als die städtische Galerie die Stadt Rosenheim ins Zentrum rückte

von Redaktion

Felix Steffan und sein neues Standardwerk zum Kunstbetrieb in Rosenheim und im Chiemgau von 1904 bis 1968

Rosenheim – Mit der Eröffnung des Neubaus der städtischen Galerie am 29. August 1937 rückte Rosenheim ins Zentrum des regionalen Kunstgeschehens. Wenige Wochen zuvor war in München das „Haus der deutschen Kunst“ eingeweiht worden. Für Rosenheim schuf der Architekt German Bestelmeyer ein verkleinertes Abbild des Troostschen Monumentalbaus. Nun gab es endlich richtige Ausstellungsräume für die Gemälde der Max-Bram-Stiftung sowie für Sonderausstellungen des Kunstvereins Rosenheim, der als Bauherr aufgetreten war. Die Zeit der Provisorien war vorbei.

Der junge Kunsthistoriker Felix Steffan spannt in seiner nun als Buch vorliegenden Dissertation, das gerade im Böhlau Verlag Köln erschienen ist, einen weiten Bogen und führt detailliert, kenntnisreich und übersichtlich durch den Kunstbetrieb in Rosenheim und dem Chiemgau von 1904 bis 1968.

Die Eckdaten sind klar. Im Jahr 1904 war der Kunstverein Rosenheim gegründet worden. Anlass für den Kunstsammler Max Bram, seine umfangreiche Sammlung vor allem konservativer Bilder aus dem Umfeld der Münchner Schule der Stadt Rosenheim, wo er aufgewachsen war, als junger Lehrer gewirkt hatte und die Rosenheimerin Elisabeth Oswald geheiratet hatte, zu übereignen. Hier fand er seine Sammlung gut aufgehoben, verband jedoch die Schenkung mit der Bedingung, ein Ausstellungsgebäude dafür zu errichten. Bis zu seinem Tod 1935 hatte Max Bram mit seinem traditionellen Geschmack einen starken Einfluss auf das Kunstgeschehen in Rosenheim.

Bram war es auch, der durch seine Freundschaften zu dem Riederinger Maler Emil Thoma und dem Münchner Architekten German Bestelmeyer den Galeriebau wesentlich vorantrieb. Es sind gerade diese persönlichen Verbindungen, denen Felix Steffan, der 1988 in Rosenheim geboren wurde und 2008 am Ignaz-Günther-Gymnasium sein Abitur ablegte, nachspürt.

Den Schlusspunkt seiner Untersuchungen setzt der promovierte Kunsthistoriker im Jahre 1968. Dieses Jahr mit seinen Studentenunruhen, den Bürgerrechtsbewegungen in den USA und der Niederschlagung des Prager Frühlings markiert weltweit eine Zäsur. So auch in Rosenheim. Im Kunstverein Rosenheim wurden nun mit Rainer Dillen, Heinz Kaufmann, Josef Hamberger und Rolf Märkl junge Künstler in den Beirat gewählt. Vorbei die Nachkriegszeit, als sich die „Gruppe 51“ um Heribert Losert und Karl Prokop aus Protest gegen eine Ausstellung des NS-Malers Paul Matthias Padua in der Galerie formierte.

Fast zehn Jahre hat Felix Steffan, der nun in Nürnberg lebt, an seiner Dissertation nebenberuflich gearbeitet. In seiner Magisterarbeit, mit der der Kunsthistoriker 2013 sein Studium der Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) abschloss, untersuchte er die Rolle des Architekten Theodor Fischer bei den Stadtplanungen für die Münchner Prinzregentenstraße.

Im Frühjahr 2015 reifte dann in Steffan, der schon seit einigen Jahren in den Beständen der Städtischen Galerie Rosenheim und den Unterlagen des Stadtarchivs Rosenheim zu den Bereichen Nationalsozialismus und Nachkriegsjahre recherchiert hatte, die Idee zu einer Ausstellung zu diesen beiden Themenkreisen. 2017 erschien als passendes Jahr, feierte doch damals die städtische Galerie, der immer noch ihr Ruf als „Nazi-Bau“ anhaftet, 80-jähriges Bestehen.

Hilfe erfuhr Felix Steffan durch Professor Dr. Christian Fuhrmeister. Der Kunsthistoriker erforscht als Privatdozent an der LMU, neben seiner Tätigkeit am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, vor allem die Kunst und Kunstgeschichte des Nationalsozialismus. So fand über drei Semester hinweg, vom Sommersemester 2016 bis zum Sommersemester 2017, unter Fuhrmeister ein Veranstaltungszyklus an der LMU statt. In Pro- und Hauptseminaren wurden Hausarbeiten zu Rosenheimer Künstlern in der NS-Zeit und der Nachkriegszeit verfasst. Aber auch Aspekte des Ausstellungsbetriebes wie Plakat und Pressearbeit wurden angesprochen. Ein Ergebnis war die Masterarbeit von Sofie Eikenkötter „Die städtische Galerie in Rosenheim. Zwischen Tradition und Propaganda von 1935 bis in die frühen Nachkriegsjahre“, die sie 2016 vorlegte.

Ein weiteres Ergebnis waren die beachtenswerte Ausstellung in der Städtischen Galerie Rosenheim vom 24. September bis 19. November 2017 und der dazu erschienene fundierte Katalog mit dem Titel: „vermacht. verfallen. verdrängt. Kunst und Nationalsozialismus. Die Sammlung der Städtischen Galerie Rosenheim in der Zeit des Nationalsozialismus und in den Nachkriegsjahren“. Die Hausarbeiten der Studierenden werden darin von Aufsätzen von Fachkollegen von Professor Fuhrmeister ergänzt.

Felix Steffan hatte also die Idee, erarbeitete die Themen und kuratierte die Ausstellung. Aus dem reichhaltigen Material eine Dissertation zu verfassen und am Ende promoviert zu werden, das ergab sich als logischer Schritt. Christian Fuhrmeister übernahm die Betreuung der Arbeit.

Der schwergewichtige Band weist drei Hauptteile auf. Im ersten Teil wird „Rosenheim als Kunstort“ in den Jahren 1904 bis 1934 thematisiert. Zentrale Persönlichkeit ist hier der Kunstsammler Max Bram, der ausführlich vorgestellt wird. Ludwig Eid und die städtischen Sammlungen, die Gründung des Kunstvereins Rosenheim und ihr erster Vorsitzender Philipp Weber, die Ankaufspolitik der Stadt Rosenheim sowie ein Seitenblick in den Chiemgau mit den Künstlergruppen „Welle“ und „Frauenwörther“ bieten reichlich weiteren Lesestoff.

Der „Kunststadt des Chiemgaus“ in den Jahren 1934 bis 1944 widmet sich der zweite Teil. Hier treten mit Hans Faußner, Erich Holper und Albert Aschl drei Protagonisten auf, die ganz unterschiedliche Positionen einnahmen. Der Zahnarzt Dr. Hans Faußner legte 1934 nach vier Jahren im Amt den Vorsitz des Kunstvereins wegen „politischer Schwierigkeiten“, wie er selbst später erklärte, nieder. Neuer Vorsitzender wurde der städtische Rechtsrat Dr. Erich Holper, NSDAP-Mitglied seit 1929 und SA-Obersturmbannführer. Bemerkenswert ist, dass Holper auch noch in der Nachkriegszeit von 1956 bis 1968 Zweiter Vorsitzender des Kunstvereins war.

SA-Mitglied Albert Aschl wiederum verstand die Zeitläufe geschickt für seine Karriere zu nutzen. Als Stadtarchivar, Leiter der städtischen Sammlungen und Vorsitzender des Historischen Vereins machte er sich unabkömmlich, überzeugte aber auch durch sein Engagement, seine Forschungen zur Geschichte Rosenheims und seine Publikationen. Kernstück ist natürlich der Bau der Städtischen Galerie, bei deren Eröffnung durch Gauleiter Adolf Wagner die Herren Holper und Aschl prominente Auftritte hatten.

Etwas kürzer fällt der Schlussteil aus, der den bezeichnenden Titel „Moderne Kunst als Hoffnung?“ trägt und die Jahre von 1944 bis 1968 behandelt. Da die städtische Galerie bei einem Luftangriff am 20. Oktober 1944 schwere Schäden erlitten hatte, konnte in diesem Gebäude die erste Nachkriegsausstellung erst im Frühjahr 1949 mit Werken regionaler Künstler sowie Sonderschauen für Karl Hermann Müller-Samerberg, Emil Thoma und Hans Müller-Schnuttenbach veranstaltet werden.

Die Rehabilitierungen von Erich Holper und Albert Aschl zeigen den schwierigen Umgang mit der NS-Vergangenheit. Mit diesem Aspekt rundet Felix Steffan sein umfangreiches Werk ab und lässt den Rosenheimer Bildhauer Rolf Märkl erzählen, wie er einst als junger Künstler gegen den omnipräsenten Törwanger Maler Constantin Gerhardinger rebellierte, der wegen seiner Erscheinung und seiner Gesinnung den Spitznamen „Wotans Erbe“ erhalten hatte.

Felix Steffan legt mit diesem Buch ein fundiertes Standardwerk zum regionalen Kunstgeschehen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor. Neben den zahlreichen Anmerkungen, dem Quellen- und Literaturverzeichnis, die akademischem Standard entsprechen, erleichtert vor allem das Personenregister das Nachschlagen. Informativ ist die tabellarische Übersicht über alle Ausstellungen des Kunstvereins sowie die Ausstellungen in der städtischen Galerie im entsprechenden Zeitraum. Hilfreich wäre ein Anhang mit Kurzbiografien der wichtigsten Protagonisten zur schnellen Orientierung.

Seit Juni letzten Jahres leitet Felix Steffan die Volkshochschule „Hersbrucker Schweiz“, die ihren Sitz in der mittelfränkischen Kleinstadt Hersbruck im Nürnberger Land hat. Es wäre dem Kunsthistoriker zu wünschen, dass er mit dieser Arbeit die akademische Welt auf sich aufmerksam macht.Dr. Evelyn Frick

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