Sichtbare und unsichtbare Spuren

von Redaktion

Interview Künstler Hans Hs Winkler aus Rott über seine Ausstellung im kubanischen Havanna

Rott/Havanna – „Inbetween. Interventions“ heißt eine Ausstellung von Hans Hs Winkler, die gerade im Centro Wilfredo Lam in Havanna, Kuba, zu sehen ist. Auch wenn die Reporterin nicht vor Ort sein konnte, so war sie doch neugierig, was es mit „Inbetween. Interventions“ auf sich hat und wie man an eine Einladung nach Kuba kommt. Ein Gespräch mit dem Künstler Hans Hs Winkler.

Herr Winkler, wie kommt man an eine Einladung nach Kuba? Woher stammt die Verbindung?

Das ist über die Jahre gewachsen. Auch dank der Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und meiner Gastdozentur an der Kunsthochschule in San Francisco (San Francisco Art Institute, SFAI) konnte ich die Kontakte mit Kuba halten, auch wenn der Austausch mit Kuba aufgrund der politischen Umstände und der neuen amerikanischen Regierung erschwert ist. Ich bin sehr dankbar, dass es uns dennoch in Kollaboration mit dem Museo Nacional de Bellas Artes, Havanna, der Galerie Schloss Biesdorf Berlin und der Direktorin Karin Scheel und dem Centro de Arte Contemporaneo Wifredo Lam, Havanna, gelungen ist, dort meine Werke bis zum 15. Dezember zu präsentieren.

Um was geht es in Ihrer Ausstellung?

In der Ausstellung werden 13 Interventionen, realisiert in verschiedenen Ländern der Welt, vorgestellt. Alle gezeigten künstlerischen Interventionen greifen in bestehende Realitäten ein, fokussieren aktuelle oder auch historische Situationen. So versenkte ich in  „Un incidente in gondola“ (Nuova Icona, Venedig, 2002) das Symbol Venedigs: eine Gondel samt Gondoliere, eine Reflexion auf die komplizierte Situation Venedigs zwischen Verfall und Massentourismus. In „Die Flucht des Ötzi“ (Eurac, Museion, Bozen, 2008) simulierte ich die Flucht einer der berühmtesten Mumien der Welt aus dem Archäologischen Museum zu dem Ort in den Ötztaler Alpen, an dem sie ursprünglich gefunden wurde. Hierfür sind von der Mumie die Originalfußabdrücke abgenommen worden, um die Flucht im Asphalt der Straße am Museum in Szene zu setzen. Die bei einer späteren Untersuchung entdeckte Pfeilspitze im Rücken des Ötzi bestätigt ja auch seine reale Flucht. Diese und alle anderen gezeigten künstlerischen Arbeiten habe ich durch längere und intensive Recherchen vor Ort entwickelt. In der Ausstellung in Kuba kann man nachvollziehen, wie aus der Recherche eine Intervention, also etwas Neues, entsteht. Also auch ein Symbol für gesellschaftliche Wandlungen.

Was haben Ihre Interventionen bewirkt? Was kann Kunst?

Um Prozesse zu dokumentieren, muss ein Bild von der Intervention aussagekräftig berichten, ohne viel zu theoretisieren. Das Bild „Un incidente in gondola“ ist jetzt Teil des Biennale Archivs in Venedig. In der Mauerstadt Berlin realisierte ich, (als Künstlerduo p.t.t.red), kurz vor der Wende 1988, die Stadtraum-Installation „goldener Schnitt durch Berlin“. Fünf vergoldete Elemente von Stahlbauten, die auf einer imaginären Linie durch Gesamt-Berlin liegen, ziehen eine ästhetische Linie über die politische Teilung. Die Arbeit wurde 2024 saniert und steht jetzt im Gaswerk Schöneberg unter „Denkmalschutz“. Ich habe Ausstellungen wie „legal / Illegal“ (2004) in der NGBK Berlin, zusammen mit Helen Adkins und Kai Bauer, oder „Looking for mushrooms“ (Beat Poets, Hippies und Minimal Art: San Francisco 1955 bis 1968) im Kölner Museum Ludwig (2008) zusammen mit Barbara Engelbach und Friederike Wappler kuratiert. Meine „Walking newspapers“ waren in Istanbul, Johannesburg, New York, Havanna, Bonn oder San Francisco zu sehen. „Szenen einer Revolution“ habe ich auf den Straßen von San Francisco während meiner Gastprofessur als Warnung vor der Realität inszeniert. Dafür hatte ich einen Pickup-Truck, einen Fahrer und zehn mexikanische Tagelöhner angeheuert und mit Armeekleidung, schwarzen Fahnen und Macheten ausgestattet. Im Rahmen der Ausstellung Arkadien im Herbst 2022 habe ich in Rosenheim auf einem übermannsgroßen Plakat die Revolution in Rosenheim, übrigens vier Tage vor München ausgerufen, dargestellt. Als Motto hatte Kurator Peter Kees ausgegeben „Schrei es in die Welt hinaus – Arkadische Botschaften im Öffentlichen Raum“. Das gilt bis heute. Durch kontinuierlichen Austausch mit den jeweiligen Kooperationspartnern weltweit kann ich behaupten, dass die ausgestellten Interventionen sichtbare und unsichtbare Spuren hinterlassen haben und dass meine Inszenierungen Fiktives zu Wahrem haben werden lassen. Kunst hat Verantwortung, Kunst darf und soll sich einmischen.

Sie sind gebürtiger Rosenheimer, haben jahrelang in Berlin gewohnt, waren als Dozent an der SFAI tätig, hatten weltweit Stipendien und sind nun doch wieder in Ihre Heimat zurückgekehrt.

Heimat war mir immer wichtig. Ich habe familiäre Wurzeln hier, bin Mitglied im Kunstverein Rosenheim und will mich ehrlich mit Geschichte vor Ort auseinandersetzen. In den vergangenen zwei Jahren habe ich schon zwei Projekte in Bayern realisiert. Derzeit plane ich eine größere Arbeit im Landkreis Rosenheim. Elisabeth Kirchner

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