Rosenheim – Annelies Kaczynski, Sonja Sachsinger und Regine Staudt – diese drei Künstlerinnen habe derzeit Alfons Röckls „Kleine Werkraumgalerie“ mit ihren Arbeiten geradezu geflutet – es bleibt keine Wand, keine waagerechte Möglichkeit ungenutzt: 86 „Kunststücke“ – so der Titel der Ausstellung – präsentieren sich in den Räumen im ersten Stock der Heilig-Geist-Straße 4.
Beginnen wir dem Alphabet nach: Annelies Kaczynski aus Schechen mit ihren Bildern, die fröhliche impressionistische Farbigkeit ausstrahlen. Besonders ins Auge fällt ein dichtgepackter Blumenstrauß in einer hohen weißen Vase auf schwarzem Grund, aber sie zeigt auch abstrakte Arbeiten mit kleinteiligen Strukturen, oder auch eine flächige Komposition in verhaltenen Farbtönen, die sich aus rechteckigen, unterschiedlich gestalteten Segmenten zusammensetzt – gekonnte Beherrschung der Fläche.
Sonja Sachsinger aus München, seit Jahrzehnten mit Kaczynski befreundet, bespielt mit ihren Objektkästen und Plastiken Wände und Stellflächen der Ausstellung. Im Gegensatz zum Schriftsteller („In Stahlgewittern“) und Insektenforscher Ernst Jünger, der ungezählte Schmetterlinge in Schaukästen aufspießte, formt Sachsinger aus Draht derartige Lebewesen nach, die sie in mannigfaltiger Gestaltung in großen Rahmen präsentiert. Manche ihrer zahlreichen Arbeiten könnte man von der Technik her als profane Klosterarbeiten bezeichnen. In ihren Objektkästen finden sich unter anderem auch sorgsam arrangierte Drahtverschlüsse hochwertiger Schaumweine, die für diese Arbeiten vermutlich nicht ohne Genuss getrunken werden mussten. Auf einer Fensterbank des großen Ausstellungsraums steht ihr erheiternder „Dreissigfüssler“, ein langgestrecktes Fabeltier aus einem Holzstück, das auf etlichen Nägeln steht – Art brut in Reinform.
Schließlich Regine Staudt aus Passau, die erst später aufgrund einer alten Rosenheimer Schulfreundschaft der Ehemänner Staudt und Kazcynski zu den Kolleginnen fand. Die Kinderärztin und Psychotherapeutin fand nach ihrem Berufsleben zurück zur bildenden Kunst, die sie schon als junge Frau in Mal- und Zeichenkursen in den USA ausübte. Ihre filigranen Papierarbeiten wurden schon im Buchheim-Museum am Starnberger See ausgestellt. Neben buchartig aufgeblätterten Objekten faszinieren besonders ihre Leuchtobjekte, von innen beleuchtete kleine Papierkleider. Das Schneidern und damit das Wissen um Proportionen hatte sie sich schon als Mädchen in ihrer schwäbischen Heimat angeeignet und nach einem Zufallsfund von Butterbrotpapier nach und nach mit Objekten aus diversen Papiersorten umgesetzt.
Die Ausstellung zeigt in ihrer Fülle die Schaffenslust dieser drei Frauen – auch jenseits der zweiten Lebenshälfte kann sich sehr viel Kreativität entwickeln: ein Ansporn für Besucher zur Nachahmung – und zum Kauf als Anstoß dazu. Denn die Exponate bewegen sich lediglich im zwei- bis dreistelligen Euro-Bereich.
Hendrik Heuser