Seeon – Was ist typisch Bayern? Wo kommt das Bild vom schuhplattelnden, jodelnden, Bier saufenden und bauernschlauen Bayern in Lederhosen her? Anhand von historischen Humorpostkarten geht dieser Frage eine so vergnügliche wie lehrreiche Ausstellung im Mesnerhaus des Bildungszentrums Kloster Seeon auf den Grund. Sie läuft noch bis 15. März. Das Rahmenprogramm bietet Gelegenheit, selbst künstlerisch tätig zu werden.
Die Ausstellung macht deutlich, wie sich mit dem Aufkommen der ersten Postkarten in Deutschland um 1870 die Bayern-Klischees in alle Welt verbreiteten. Zur Blütezeit der Postkarte um 1900 wurden bereits eine Milliarde dieser schnellen und kostengünstigen Medien verschickt. Der aufkommende Tourismus trug das Seine dazu bei, diesen Boom zu befeuern. Verlagen wie auch Malern, Illustratoren und Grafikern bescherten diese meist ironisch überspitzten Motive gute Umsätze.
Hintergründige
Ängste und Probleme
Als humorvolle Zeitreise zwischen derb-plumpen Schenkelklopfern und feiner Ironie lädt die Ausstellung dazu ein, selbst mit einem Schmunzeln zu entdecken, wie die Bayern sich und andere sehen und gesehen haben. So erhellende wie kritische Texte von Dietlind Pedarnig beleuchten dabei auch die sozial- und kulturgeschichtlichen Zusammenhänge, die Ängste und Probleme, die sich hinter den lustigen Bildern und Fotografien verbergen.
Pedarnig hat auch das der Ausstellung zugrunde liegende Buch „Obacht, Bayern! Ein Land und sein Klischee in historischen Humorpostkarten“ mit rund 1700 Abbildung verfasst. Die Autorin ist Lektorin des Allitera Verlags in München sowie studierte Kulturhistorikerin.
In den Vitrinen und auf den eigens für die Ausstellung in Seeon entworfenen Bild- und Texttafeln bringt die Autorin die Vielfalt der Motive und Klischees zwischen 1870 und 1945 fokussiert auf den Punkt: einfältige Bauern und blasierte Militärs, versoffene Studenten, Emanzen oder frivole Kellnerinnen sowie trügerische Wirtshausidyllen zeigen Ausschnitte aus der Welt von damals.
Die Themenpalette spießt den von unerschütterlichem Selbstbewusstsein zeugenden Ausspruch „Mia san mia!“ auf, den auch der FC Bayern als Vereinsmotto pflegt, und reicht über das ambivalente Frauenbild hinter dem Slogan „Auf der Alm da gibt’s koa Sünd“ bis hin zum schwierigen Umgang mit dem Fremden. Das gilt namentlich für die Preußen, vor allem, wenn diese sich in komplett fremde Biotope wie die Bergwelt verirren. Nicht zuletzt spiegelt der derbe Humor dabei auch tiefsitzende Ängste vor Technisierung, Überfremdung, Frauenemanzipation, finanziellen Nöten oder Werteverlusten wider.
Genussreich anzuschauen sind die Motive zweier damaliger Postkartenstars, das Münchner Kindl und der „Zamperl“ in Tracht. Einer Weißwurst in der Physiognomie nicht unähnlich, soll der Dachshund mit dem berühmten Dackelblick dem Bayern an sich ja wesensverwand sein: gemütlich auf seinen kurzen und krummen Beinen daherwackelnd, dickköpfig und erziehungsresistent, zäh und entschlossen, aber mitunter auch rebellisch-laut in der Stimmlage, wenn ihm etwas nicht passt. Das Münchner Kindl wiederum mutiert vom fromm segnenden Mönch mit Gebetbuch zur Werbeikone der Landeshauptstadt mit Bierkrug und behängt mit Würsten, Breze und Radi oder auf dem Radl wie auch als Hochalpinist beim Kraxeln.
Dass dem Humor immer auch etwas Doppelbödiges anhaftet, machte Dietlind Pedarnig bei der Eröffnung der Ausstellung deutlich. So habe jede der gezeigten Postkarten zwei Seiten. Am Beispiel einer 1943 im Arbeitslager Buchberg bei Geretsried abgestempelten Postkarte mit einem Münchner-Kindl-Motiv und der Liebesbotschaft des Zwangsarbeiters „Jean“ an eine nicht weit entfernt wohnende Französin zeige sich „wie nah Humor und das Grauen der NS-Zeit mitunter beieinander liegen können“.