Wasserburg – So einen innig süßen, singenden und schwelgenden, glanzreichen und zugleich üppig vollen, ja saftigen Geigenton hört man selten: Linus Roth war zu Gast im historischen Wasserburger Rathaussaal, zusammen mit Boris Kusnezow am Klavier.
Das ewige Singen passte gut zur Violinsonate Nr. 3 op. 108 von Johannes Brahms, in der Roth die langgezogenen Melodiebögen Ton für Ton mit blutvollem Leben füllte und zeigte, wie Brahms aus dem Hauptthema alles herauszog, was im Hauptsatz passiert, so auch die wellenförmige Bewegung aus der Mitte des Themas, die immer wieder neue Wellen schlug.
Orchestrale und
farbenfrohe Fülle
Boris Kusnezow zauberte aus dem Bösendorfer Imperial, den er ordentlich gelobt hatte, orchestrale und farbenfrohe Fülle. Wehmütig und fast schluchzend schön gelang Linus Roth das Adagio als unendlicher Gesang. Im dritten Satz übernahm das Klavier die Führung, bis im Finale alles impulsiv dem Ende zustürmte.
Der kraftvoll durchgezogene Strich der Geige und der ebenso kraftvolle Zugriff des Pianisten beherrschten die Rumänischen Volkstänze von Béla Bartòk, alles lebte vibrierend, ob leichtfüßig tänzerisch oder mitreißend temperamentvoll oder auch bei fahl klingenden hohen Geigentönen.
Linus Roth zeigte sich als Missionar für das geigerische Werk des polnisch-russischen Komponisten Mieczysław Weinberg (1919 bis 1996), dessen Leben Roth auch kurz vorstellte: Weinberg wurde in Warschau geboren, floh vor den Nazis bis nach Taschkent, wobei seine Familie dem Holocaust zum Opfer fiel.
Gefördert von
Schostakowitsch
Er wurde von Dimitri Schostakowitsch entdeckt und gefördert und war ungemein produktiv. Gemeinsam mit dem Dirigenten Thomas Sanderling gründete Linus Roth 2015 die „International Mieczysław Weinberg Society“, deren Ziel es ist, das umfangreiche Schaffen dieses Komponisten im Konzertsaal und durch Aufnahmen bekannter zu machen.
Die Sonatina op. 46 klingt in der Klavierbegleitung ein bisschen nach Schubert und ist insgesamt sehr melodieselig. Der zweite Satz ist, wie Roth sagte, ein „jüdisches Lamento“, das Roth auch so spielte, teilweise durch den Einsatz des Dämpfers noch lamentöser gemacht.
Wie ein traurig-trotziger Walzer mit einem schwebend seufzenden Trio wirkt der dritte Satz und das Finale ist ein Zwitter aus Trauermarsch und Totentanz mit einem Klagegesang auf der E-Saite. Wie ein aufgekratzter Tanzgeiger agierte Linus Roth schließlich in Weinbergs Rhapsodie über moldawische Themen, die eigentlich jüdische Themen sind.
Die ziemlich zahlreichen Zuhörer waren ganz aus dem Häuschen, applaudierten im Stehen und bekamen ein Virtuosen-Gusto-Stückerl als Zugabe: „La Ronde des Lutins“, das heißt: Tanz der Kobolde, von Antonio Bazzini, einem Zeitgenossen Paganinis, von Linus Roth in halsbrecherischer bzw. fingerbrecherischer Virtuosität geboten.