Bad Aibling – Am zweiten Konzertabend des Bad Aiblinger Gitarrenfestivals „Saitensprünge“ mussten die Organisatoren wegen der Akustik kurzfristig den Saal tauschen, denn in der Gaststätte unter dem kleineren Saal fand eine andere Veranstaltung statt, sodass Nebengeräusche zu befürchten waren. Bereits das Programm war geändert worden, denn statt der ursprünglich angekündigten Jazzgitarren-Legende Ralph Towner konzertierte ein Duo.
Es spricht für die guten Kontakte der Veranstalter, dass sie den Hochkaräter Marc Ribot verpflichten konnten. Er gastierte vergangenes Jahr unter anderem in der Elbphilharmonie. In Bad Aibling war er bereits vor 15 Jahren zu hören, damals im Quartett mit dem Programm „Sunship“. Den Auftakt machte allerdings die aus Triest stammende Gitarristin Anna Garano an der akustischen Gitarre. Sie präsentierte – leider ohne Ansage der Stücke – ein etwa halbstündiges Programm mit klassisch spanischen Stücken, die teils mit Flamencoanklängen interessant garniert wurden. Mit träumerischen Passagen und leicht angejazzten Sequenzen stimmte Anna Garano die Gäste ein für den Haupt-Akteur des Abends.
Ribot, der zu den wichtigen, genreübergreifend agierenden Avantgarde-Gitarristen gehört, legte als Sologitarrist und mit drei unterschiedlichen Instrumenten eine ungewöhnliche, sperrige Performance hin, die ihre eigenen Reize bot. Sein Kunstgriff in der Albumpräsentation „Map of a blue city“ war die Rolle einer mahnenden, weisen Stimme angesichts der fortschreitenden Weltzerstörung.
So stand dann nach einem Eingangsstück im Bluegrass-Stil und mit Mini-Gitarre ein Klassiker aus den 1920er-Jahren auf dem Programm: „The World is on fire“, eine Komposition der Carter-Family mit alarmierenden Textzeilen wie „Where will you run/where will you burn“ wirkte eindringlich und intensiv. Hierfür wählte Ribot eine akustische Folkgitarre, wechselte für ein brachiales Klanggewitter zur E-Gitarre und ließ mit viel Hall aggressive Power im Saal erschallen. Dazu gab es Lyrikpassagen des amerikanischen Kult-Poeten Allan Ginsberg, aber auch Eigenes.
Manches hatte Ribot bereits während der ersten Amtszeit von Donald Trump als Protestsongs komponiert, sodass der Gitarrist in den Ansagen und Moderationen auch Stellung nahm zur aktuellen Lage in den USA und Trump als Faschisten benannte („with a fascist as a president“) und als „orange hair dictator“.
Mit Anspielung auf die Rolle der Latinos ließ Ribot ein spanischsprachiges Protestlied folgen und setzte das mal aufbrausende, dann wieder zarte Programm kontrastierend mit einem Song zur Arche Noah fort. Einen traditionellen Blues überführte Ribot kongenial in jazzige Improvisationen und schloss seinen sowohl eigenwilligen als auch künstlerisch spannenden Auftritt mit einem Stück auf der Mini-Gitarre ab.
Andreas Friedrich