Ein Konzert jenseits aller Schubladen

von Redaktion

Nigel Kennedy und Band präsentieren „Spiritual Connection“

Rosenheim – Für das Phänomen Nigel Kennedy hat die Musikkritik seit weit über vier Jahrzehnten viele Beschreibungen parat: Stargeiger, Enfant terrible und Paradiesvogel. Der mittlerweile 69-jährige Brite zählt zu einem der bekanntesten Musiker der Gegenwart, klassisch an der Juilliard School Of Music und in Improvisation und Jazz bei Jazzgeiger Stéphane Grappelli ausgebildet.

Nigel Kennedy machte im Kultur- und Kongresszentrum seinem Ruf mit gelbem T-Shirt, bunten Turnschuhen und der obligaten Punk-Frisur alle Ehre. Auch der mit Beleuchtungseffekten in türkis und grün ausgeleuchtete Saal machte deutlich, dass es definitiv kein Konzert im klassischen Sinne werden würde. Zusammen mit Beata Urbanek-Kalinowska, Cellistin und Professorin für Kammermusik an der Musikakademie Krakau, Schlagzeuger Will Glaser, Bassist Alec Dankworth und Gitarrist Rolf Bussalb führte Nigel Kennedy sein Publikum in die Welt von „Spiritual Connection“ – ein Mix aus Klassik, Klezmer, Sinti, Jazz, Film- und Popularmusik.

Publikum
darf abstimmen

Ein Potpourri an Soli,
Duetten und Tutti-Werken. Ein buntes Programm, bei dem er zwischendurch sogar das Publikum abstimmen ließ, was man als Nächstes hören wolle. Oder er unterhielt sich mit seinen Mitstreitern auf der Bühne, was man als Nächstes spielen wolle. Da durfte Gesten wie Daumen nach oben, Fäuste gegeneinander oder der Ghettofaust-Gruß für die Mitmusizierenden nicht fehlen, genauso wenig wie ab und an ein Schluck aus der mitgebrachten Tasse Tee und der englische Humor, den Nigel Kennedy zuweilen aufblitzen ließ.

Wahrlich kein Konzert im klassischen Sinne. Und doch war es ein berauschender Abend an Melodien: Fast drei Stunden spielte Nigel Kennedy mal mit klassischer, mal mit elektronischer Geige, letztere sogar oftmals dank Loop effektvoll mit Hall verstärkt. Die Eigenkomposition „New Beginnings“ beispielsweise begann spannend. Luftig und mit Hall flossen die Töne ineinander, in die Cello, Bass, Gitarre und Schlagzeug ihre Rhythmen streuten. Auf so viel Sturm folgte ein Geigen-Solo. Brilliant, wie Nigel Kennedy hingebungsvoll und vollkommen in sich versunken die berühmte Chaconne aus der Partita Nr 2 in d-Moll von Johann Sebastian Bach interpretierte. Mit seinem Spiel nahm er das Publikum derart gefangen, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

Doch es sollte nur ein kurzer Ausflug in die Welt der Klassik sein: Flugs ging es weiter zu Komeda, eigentlich Krzysztof Trzcinski (1931 bis 1969), einem gelernten Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der heute in Polen einen musikalischen Rang wie Chopin einnimmt, und zum japanischen Komponisten und Pianisten Ryuichi Sakamoto (1952 bis 2023). Ein Gewebe aus pulsierenden Rhythmen und rotierenden Violinen-Phrasen, Filmmusik nicht unähnlich, mit jazzigen Einwürfen.

Einmal quer
durch die Genres

Ab und an ließ sich Nigel Kennedy auch am Flügel nieder: Melodien, folklorehaft, Filmmusik ähnelnd, von Klassik und Jazz inspiriert, kongenial begleitet von Cello, Bass und Schlagzeug, die sich intensivierten, auffächerten und verdichteten. Ein Griff zur Geige und schon begann ein reizvoller Medley aus „Porgy and Bess“ von George Gershwin. Nicht minder großartig das Traditional aus Klezmer-Musik und der mit vielen Improvisationen durchsetzte „Csardas“ von Vittorio Monti. Da mussten zwei Zugaben her: irische Folkmusik mit „Out on the ocean“ und „Danny boy“ und schließlich noch ein Medley aus Klassik-Satzhäppchen, Jazz und Filmmusik. Wahrlich ein Konzert ohne Regeln, quer durch die Genres, einmal rund um die Welt, bunt, schillernd, und doch voller „spiritual connection.“ Man musste sich eben nur drauf einlassen.

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