Bad Aibling – Caro Matzko, auch Caroline Waschmaschine oder von ihrem Vater „Mausi“ genannt, kennt man als Barfrau an der Seite von Hannes Ringelstetter, dem leider abgesetzten Abendtalk im Bayerischen Fernsehen. Von ihrer Position hinter dem Tresen verteilte sie aber nicht nur Wasser, Bier oder Wein, sondern lieferte auch den ein oder anderen denkwürdigen Einwurf zum Gespräch, das Ringelstetter mit seinen geladenen Gästen führte. Denn Caro Matzko ist keine gelernte Barfrau, auch wenn die glamourösen Outfits das vermuten lassen würden, sondern studierte Kommunikationswissenschaften, Politik und Soziologie, außerdem ist sie Journalistin und Key-note-Speakerin, also eine Frau, die etwas zu sagen hat, eine, die auf Veranstaltungen eine inspirierende Rede hält.
Ein großes schwarzes
Loch im Inneren
Und sie ist Autorin, unter anderem von dem 2020 zusammen mit Tanja Marfo erschienenen Buch „Size egal“, Untertitel „Dein Selbstbewusstsein kann nicht groß genug sein“. Da plädiert Caroline Waschmaschine für einen selbstbewussteren Umgang mit dem Körper, egal ob zu dick oder zu dünn. Spätestens da war klar, dass mit der Frau etwas nicht stimmt, dass sie ein Problem hat, vielleicht sogar ein großes.
„Einmal musste ein Therapeut eine Überstunde machen, weil ich ewig für meine Mittagsmahlzeit brauchte und versuchte, die Backfisch-Panade unter dem Deko-Salatblatt zu verstecken,“ schreibt sie in ihrem neuen Buch mit dem Titel „Alte Wut“. Und da geht es nicht mehr nur um ihre Magersucht, von der sie sich irgendwann als geheilt und frei bezeichnete, sondern um etwas, das wesentlich tiefer sitzt, nämlich um „ein großes schwarzes Loch, in dem alle Liebe und Bestätigung ins Bodenlose verschwindet“, oder einfacher gesagt: „Wer bin ich?“.
Im Rahmen der Bad Aiblinger Literaturtage wurde sie in das evangelische Gemeindehaus eingeladen, wo sie im Dialog mit Pfarrer Markus Merz ihr neues Buch vorstellte und einen tiefen Blick in ihr Seelenleben gewährte.
Das machte sie von einem Notsitz aus, einem als Hocker dienenden Pappkarton, weil ihr das extra präparierte Vorlese-Ensemble aus bequemem Ohrenbackensessel mit Stehlampe und Beistelltischen zu pompös war. Hier nahm nun der Pfarrer Platz, der das Gespräch in freundschaftlicher Weise begleitete.
In ihrem Buch macht sich Caro Matzko nicht nur auf eine Reise nach Osterode, oder wie es heute heißt, weil es in Polen liegt, Ostróda, sondern in ihre ganz persönliche Familiengeschichte.
An diesem Ort am Drewenzsee in Masuren liegt vielleicht der Schlüssel zu diesem schwarzen Loch, zur Ursache für ihre Leiden. Die Geschichte des „heimatvertriebenen“ Vaters ist längst ihre, belegt Kindheit und Jugend, wabert durch das Haus der Familie Matzko, bestehend aus Papa, Mama, Bruder und Carolin. So begibt sie sich auf diesen Tauchgang in die Vergangenheit, auf die Suche nach etwas, von dem sie erst einmal nicht weiß, was es ist.
Mit einer frappierenden Offenheit spricht sie über ihren Vater, ihr Familienleben mit Ehemann Rainer, Tochter Fanny und den Hund Biagio, fast als wäre sie eine alte Bekannte oder Freundin. Sie hat nichts Fremdes, eine Frau in den Mittvierzigern mit Wunden, die viele Menschen ihres Alters haben. Wenn sie liest, tut sie es mit allen Möglichkeiten der Sprache, die gekonnt locker daherkommt, sodass man sogar die schlimmsten Passagen ihres Buches lesen kann und es nicht weglegt mit einem „Das packe ich jetzt nicht.“
Der Ursprung
des Traumas
Ihr Vater war zehn Jahre alt, als er seinen eigenen Vater an die Rote Armee verlor und genau diesen Punkt auf der Landkarte sucht Caros Familie jetzt. „Der Punkt symbolisiert für mich den Kern seines Traumas.“ Des Traumas, das sie geerbt hat und ihr so viel Leid bescherte und das sie, wenn vielleicht auch nicht ablegen, doch besser verstehen kann am Ziel dieser außergewöhnlichen Reise. „Sicher ist mein Weg des Umgangs mit Familie und mentaler Gesundheit nicht jedermanns und jederfraus Sache“, aber, lautet ihr Plädoyer, sie finde es ungeheuer wichtig, dass die Relevanz psychischer Gesundheit publik gemacht werde.
In ihrem Leben sei durch diese Reise die alte Wut verraucht, das Wort Schuld habe sie aus ihrem Gedächtnis gestrichen, stattdessen spreche sie von Verantwortlichkeiten. Von ihrer Reise hat sie ihrem Vater Steine mitgebracht, die vielleicht von dem Hotel dessen Vaters stammen, in dem er die glücklichsten Jahre seines Lebens verbracht habe. Er streichle sie jeden Tag. Ihr Vater könne vermutlich nicht mehr geheilt werden, aber sie werde nicht müde, über die Relevanz von mentaler Gesundheit zu sprechen. Und die Zeit heile eben nicht alle Wunden.