Bad Aibling – Ganz gefüllt war die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, als der Kirchenmusiker Konrad Liebscher sein 25-jähriges Dienstjubiläum feierte, und dies mit Orgel-Pomp und Chor-Prunk: Als Organist schwelgte Liebscher in spätromantischer Musik, was ihm die große Konzertorgel der Kirche ermöglichte. Als Chorleiter dirigierte er seine Chorgemeinschaft meist mit den Schultern und dem Kopf, weil er gleichzeitig die Orgel spielen musste. All dies konnte man gut sehen auf der großen Leinwand, die im Altarraum aufgestellt war.
Forsch voranschreitend spielte Liebscher den ersten Satz der Orgelsonate Nr. 8 für große Orgel von Alexandre Guilmant, die dieser, wie alle seine Orgelsonaten, für die Cavaillé-Coll-Orgel in der Kirche La Trinité in Paris komponiert hatte. Liebscher baute den Satz mittels des Schwellers groß auf und präsentierte glanzvoll diese geradezu rauschhafte Orgelmusik. Ein flottes Tempo zierte die h-Moll-Toccata mit ihrem motorischen Getriebe von Eugène Gigout, dem Nachfolger von Guilmant als Lehrer am Pariser Konservatorium.
Moderne Filmmusik wählte Liebscher als harten Kontrast: Hans Zimmer hat die Musik für den Film „The Da Vinci Code“ komponiert, daraus spielte Liebscher „Chevaliers de Sangreal“ (Gralsritter) in einer Bearbeitung durch Anna Lapwood. Es ist eine weniger melodisch fortführende als eher rein atmosphärische Musik, die Liebscher aber, vor allem in seiner Steigerungsgewalt, wirkungsvoll spielte.
„The Highland Cathedral“ klingt wie eine ursprüngliche schottische Dudelsackmusik, so schottisch, dass begeisterte Schotten sie sogar als Nationalhymne vorschlugen, stammt aber von den beiden Deutschen Ulrich Roever und Michael Kolb. Hans-André Stamm hat diese überaus populäre Melodie für Orgel bearbeitet, sie entfaltete ihren Reiz auch in der Kirche.
Seiner Chorgemeinschaft hatte Liebscher einen ordentlichen Brocken zugemutet, die prunkvolle „Messe solennelle in cis-Moll“ von Louis Vierne, ein glanzvoll-wirkungsmächtiges Werk in stark chromatisierter, sehr farbiger und bisweilen dissonanter Tonsprache. Diese Tonsprache mag für einen südbayerischen Kirchenchor, der meist Mozart- oder Haydn-Messen gewohnt ist, ungewohnt sein. Am wohlsten fühlten sich die Chorsänger in den deklamatorischen, durch Akkordblöcke massiv gemachten Passagen, in denen sie im Forte alle zusammen singen konnten. Der Chor hielt sich wacker und ließ sich von den zahlreichen überraschenden harmonischen Wendungen nicht schrecken. Das „Benedictus“ hatte Liebscher farbenfreudig registriert, im „Agnus Dei“ schwebten die Harmonien frei durch die Luft, bis sich alles in Cis-Dur selig auflöste.
Leichter tat sich der Chor in den Werken von Karl Jenkins mit dessen beliebtem populärmusikalischen Stil. Im „Cantate Domine“ sangen alle animiert schwungvoll, im „Exsultate, jubilate!“ motorisch bewegt. Gefühlvoll-melodisch interpretierten sie „The Lord bless you“ von John Rutter – auch er ein Liebling der Chöre. Für die begeistert erklatschte Zugabe blieb Liebscher in der französischen Spätromantik mit der bekannten und beliebten F-Dur-Toccata aus der Orgelsinfonie Nr. 5 von Charles-Marie Widor, die hier allerdings zusätzlich mit final jubelnder Chorbegleitung erklang. RAINER W. JANKA