Gleicher Ortsname mit unterschiedlichen Aussprachen

von Redaktion

Vor gut einem Jahr endete das Forschungsprojekt „Mundartformen“, das der Autor dieser Serie im Landkreis Rosenheim durchführte. Der bayernweit organisierte Forschungsauftrag der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften lautete: Erfassung der mundartlichen Aussprache aller Ortsnamen, die in den Gemeinden des Landkreises Rosenheim links des Inns existieren.

Einige der Ergebnisse unserer Umfrage sind dermaßen interessant, dass wir schon heute eine Kostprobe präsentieren möchten. Dabei soll es um die Erkenntnis gehen, dass es in einem Radius von ungefähr 50 Kilometern – wobei wir auch Namen rechts des Inns im Chiemgau und im nahen Tirol dazurechnen – durchaus gravierende Unterschiede der bairischen Aussprache von Ortsnamen gibt. Als Musterbeispiel soll die Vokalisierung des Lautes/Buchstabens L dienen.

In Ober- und Niederbayern verändert sich in der Regel das frühbairische L in bestimmten lautlichen Umgebungen zu einem i oder j oder gar ij: „Gäid“ oder „Gejd“ oder „Gejid“.

Nehmen wir als Vergleichspunkt den Ortsnamen „Söllhuben“. Wer kennt nicht den dortigen Gasthof zur Post samt Hotel „Beim „Hirzinger“? Dem Bestimmungswort „Söll“ im Namen, der schon 927 und 931 als „Selihobon“ und „Selehoubon“ (Urkunden Salzburg I, 107 und Monumenta Boica 3,5) überliefert ist, liegt ein alt- und mittelhochdeutscher Begriff sal zugrunde, der per Umlautung zu sel, seli mutierte.

Das Grundwort ist die „Hube“, ein Bauernhof, der die Hälfte eines Maierhofes umfasste. Der Gasthof zur Post ist bereits 1477 als „Wirt von Selhueben“ urkundlich erwähnt, wie es in der „Edition Bayern: Chiemgau“ von 2010 steht.

Das Grundwort Sal/Sel wird in der Forschung oftmals als „Übertragung“, „zu übergebendes Gut“ oder als „Wohnsitz“, „Herrensitz“ – neben anderen Deutungen – erklärt. Aber wie lautet die Aussprache von Söllhuben? „Säiham“, sagen die Wirtsleut! Und damit sprechen sie perfekt gemäß der im Bairischen üblichen L-Vokalisierung.

Also: „Gäid“ statt „Geld“, „vui“ statt „viel“, „Mui“ statt „Mühle“. Somit ist es eine faustdicke Überraschung, wenn der Gewährsmann für die Orte der Gemeinde Tuntenhausen, Landrat Otto Lederer, das Dorf Söhl als „Seel“, nicht als „Säi“/„Seji“, ausspricht. Keine Spur von der L-Vokalisierung! Söhl klingt als „Seel“ wohl fast genauso, wie es 1092 bis 1113 als „Sela“ und „Sele“ in den Traditionen (Übergabebüchern) Tegernsee Nr. 135 und 154 überliefert ist.

Ein Bewohner von Söhl ist daher laut Andreas Marx, Archivar der Gemeinde Tuntenhausen, ein „Seeler“.

Ist Säiham für Söllhuben aktuelles, modernes Bairisch, Seel für Söhl historisches Bairisch? Nicht ganz. „Seel“ für Söhl passt zumindest in die aktuelle sprachliche Landschaft im südlichen Landkreis Rosenheim: „Heid haan vill/vüll Leit dogween“, heißt es dort oftmals, nicht: „vui“. Der Kommission für bayerische Landesgeschichte war das neu! Und unsere Nachbarn in Tirol? Die machen sich’s einfach: Söll lautet dort: „Sö“! Armin Höfer

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