Wasserburg – Ein Fremder betritt die Bar – durchnässt, allein, nur scheinbar schüchtern. Ungefragt beginnt der junge Mann zu erzählen: Er sei auf der Suche nach einem Zimmer, er wolle eine internationale Gewerkschaft der Abgehängten gründen, ruft er plötzlich laut. Auch die Begegnung mit einer jungen Frau hat ihn sichtlich aufgewühlt.
Sein Gegenüber bleibt unbestimmt, mal richtet er sich an den einen, mal an den anderen Gast in der Wasserburger Theaterbar, deren Besucher ihm auch mit großem Interesse zuhören. Denn für die Premiere von „Die Nacht kurz vor den Wäldern“ des französischen Dramatikers Bernard-Marie Koltès (1948 bis 1989) hat Regisseur und Ensemble-Mitglied Carsten Klemm die Bar zur Bühne gemacht und damit den Raum geöffnet für dieses belebende Wechselspiel.
Das ganze Stück
ein einziger Monolog
So verschwimmt die Figur dieses jungen, namenlosen Mannes (großartig: Andreas Hagl) mit einem Menschen, wie man ihm bei einem nächtlichen Bar-Besuch tatsächlich begegnen könnte: ein Suchender, ein Verwirrter – oder ein vulgärer Irrer? Der ganz ohne Scham tief blicken lässt in seine Einsamkeit und persönliche Hygiene, ein nach Geborgenheit Suchender, der diese gerne in Form von „Gras, in das man sich legen könnte“ beschreibt.
Fragen nach dem Sein und dem Selbst, die seinen Bericht durchkreuzen, reihen sich widerspruchslos aneinander wie die Perlen eines Rosenkranzes, atemlos und ausweglos fügen sich die Wörter, Satzfetzen und Fragen in einen einstündigen Monolog, dem man sich dank dieser räumlich bedingten Unmittelbarkeit und lautstarker Emotionalität nicht entziehen kann. Es ist keine Düsterkeit, kein „Sturz in die Nacht“, die von der Figur ausgeht, auch wenn Erleben und Visionen zunehmend unheilvoll verschwimmen, etwa, wenn es um eine weibliche Figur namens „Mama“ geht.
Und dann gibt es noch „die Idioten“, die den jungen Obdachlosen, den Outlaw wider Willen, gänzlich aus der Fassung bringen, die nämlich, anders als er, am morgigen Tag frei haben werden, und sich der Bedeutung eines Freitagabends – auf der Bühne wie am Premierentag – vermutlich nicht bewusst sind. Geschickt eingesetzte Musik, als ob sie aus einem Nachbarraum käme, verdeutlicht das zentrale Thema des Ausgeschlossenseins vom Leben anderer, das Andreas Hagl mal sensibel, mal provokativ, immer aber hingebungsvoll seziert.
Raumgreifend, unter Nutzung von Bartresen bis Couchtisch bringt Hagl es fertig, die Spannung zu halten über einen Text, der als ein einziger Satz angelegt ist, bis zur letzten Minute, da er auf dem gleichen Weg geht, wie er gekommen ist, nicht, ohne vorher einem Gast das Glas zu entreißen und zu leeren – frech, aber passend.