Brückenbauer zwischen musikalischen Epochen

von Redaktion

Chris Gall stellt sein aktuelles Album „Impressionists Improvised“ auf Schloss Hartmannsberg vor

Bad Endorf – In seiner Anmoderation für das letzte Stück seines Konzerts – „Pavane“ von Maurice Ravel – im vollbesetzten Klaviersalon auf Schloss Hartmannsberg erläuterte Chris Gall das Besondere an der vor 150 Jahren aufgekommenen Epoche des Impressionismus, die damals rebellisch und revolutionär war, vom etablierten Kunstbetrieb nicht akzeptiert wurde und sich eigene Wege suchte. Es war dieses Unangepasste, das ihn zu seiner aktuellen CD und den damit verbundenen Eigenkompositionen inspiriert hat. Und genau dieser Ansatz war bei den Stücken von Satie, Debussy und Ravel zu spüren: Die Verbindung von teils freien Melodie-Strukturen über die Möglichkeiten der Improvisation hin zu jazzigen Elementen.

Schon nach ein paar Takten wurden Stücke wie „Gnossienne No 2“ von Eric Satie oder „Réverie“ von Claude Debussy nicht mehr im Stil klassischer Klavierkonzerte vorgetragen, sondern entweder rhythmisiert oder die aufgelösten Akkorde im Bassbereich überlagerten als Synkopen und Off-Beat-Sequenzen die Hauptmelodie.

Bei zwei Gelegenheiten verknüpfte Chris Gall die Stücke der Impressionisten direkt mit Eigenkompositionen: Bei Debussys „Prelude“, das die Klänge und Düfte einer Abendstimmung thematisiert, entwickelte er seine freie Improvisation zu einem voluminösen Klangteppich, der den kleinen Klaviersalon fast an seine Grenzen brachte, um dann im Ausklang nahezu unmerklich in seine markante Eigenkomposition „Yorke’s Guitar“ von seinem ersten Soloalbum hinüberzugleiten, was am Ende mit besonderem Applaus und Ovationen vom Publikum bedacht wurde

„Claire de Lune“, oft zur stimmungsvollen Untermalung als Filmmusik eingesetzt, bezauberte durch die dezent zurückhaltende Bearbeitung, bei der jeder Ton und jede Pause eine Bedeutung zu haben schien. Den ersten Teil beendete eine Eigenkomposition, in der Chris Gall eine Liaison zwischen Eric Satie und den Rolling Stones herstellte, indem er das Stück „Satiesfacion“ taufte.

Ein gelungener Einstieg in den zweiten Teil war Ravels „Toccata“, ein ebenso technisch schwieriges wie emotional aufgeladenes Klavierstück, das auch in Orchesterfassungen existiert. Noch vor einem Jahr, als er ebenfalls in Schloss Hartmannsberg erste Stücke für sein Album „Impressionists Improvised“ vorstellte, war er nach eigenem Bekunden noch nicht in der Lage, es konzertant aufzuführen. Nun entfachte er mit einem extrem schnellen Staccato ein Feuerwerk und einen wilden Ritt über die Tasten, entwickelte im Mittelteil eine nahezu elegische Phase, um dann mit der linken Hand ein tiefes, bedrohliches Tremolo anzustimmen, das förmlich in ein Gewitter überging und schließlich in einem fulminanten Schlussakkord endete. Dass Ravel das Gesamtwerk „Le Tombeau de Couperin“, worin die Toccata den Schluss bildet, während des Ersten Weltkrieges schrieb und jeden der sechs Sätze einem gefallenen französischen Soldaten widmete, verlieh dem Stück mit Blick auf die Weltlage eine erschreckende Aktualität.

Im weiteren Verlauf brachte Chris Gall mit eigenen Kompositionen und auch von früheren Alben wie seinem „Another Love Song“ und „Impressionist 1-3“ vom aktuellen Album inspirierten Stücken viel Abwechslung in sein über zweistündiges Programm, bevor er mit „Pavane“, von Ravel als Tanz für eine imaginäre Prinzessin auf einem Velazquez-Gemälde gedacht, einen überraschenden Abstecher zu „And I Love Her“ von den Beatles wagte.

Langer Applaus belohnte den Pianisten für ein Konzert, in dem er mit Hilfe von Jazz-, Rock- und Popmusik eine Brücke schlug von der Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis in die heutige Zeit.Arnulf Lüers

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