Prien – Kurz vor dem Advent hat Museumschef Karl J. Aß, der für diese Schau einen Orden verdient hätte, zur offiziellen Eröffnung der letzten von fünf Sonderausstellungen des zu Ende gehenden Jahres ins Museum Prien eingeladen: „Fein geschnitten“. So steht es auf dem hübschen kleinen Plakat mit einem zauberhaft bunten Blumenarrangement. Aus Pergament, gemalt und geschnitten. Oben in der Mitte: eine blasse Heiliggeist-Taube.
Aß schätzt das bestaunte Prunkstück auf gute 200 Jahre. Was er, der als Kulturbeauftragter des Marktes Prien seit einem Vierteljahrhundert das (früher mit dem Vorsatz „Heimat“ versehene) Museum leitet, zu bieten hat, nimmt dem Besucher, der ein paar Schritte in Richtung der gut 100 in museumseigene Edelholzrahmen hinter Glas gelegten Unikate geht, den Atem: lauter „Spitzen-Bilder“ – im wahrsten Sinn des Wortes – von erlesener Schönheit.
Drei beispielhafte
Exponate
Mit drei Exemplaren beginnt Aß, für Konzept und Gestaltung zuständig, den Reigen mit Filigranem aus Klosterfrauenhand. Das rechteckige, in einen an vier Stellen bemalten Rahmen gelegte Traumgebilde mit thema-nahen Darstellungen um ein Häuschen mit der Krippe von Bethlehem. Engel, Hirten, Könige aus dem Orient, nicht definierbare Gestalten, ein Wunderwerk.
Daneben, „damit nicht nur von der Geburt, sondern auch vom Tod die Rede ist“, sagt Aß, ein vielgestaltiges „Memento-Mori“ erheblichen Ausmaßes mit dem Spruch „Auf der Geign den lezten streich, / In dem Spill den lezten Stich / sagt der Todt / will machen ich.“
Ergänzt von einem querformatigen Spitzenbild mit dem auf dem Kreuz dösenden nackten Jesuskind, umgeben von Rosen und Dornengestrüpp: „Ich lieg und schlaf hier als ein Kindt, / bis ich erwach und straf die Sündt.“
Dieses und das Blumen-Plakat-Motiv gibt es als Doppelkarte bei Aß zu erwerben. Soll ein Trost sein allen, die am liebsten von jedem der 100 von Aß ausgesuchten Originale ein Andenken mit nach Hause nehmen möchten: von St. Margaretha, Catharina oder Apollonia, den Schutzheiligen Antonius von Padua, St. Dominicus oder „S. Sebasstianns“ – wie auf so manchem handgefertigten Andachtsbild ist der Name falsch geschrieben.
Die Heiligen, gemalt und in ein mit dem Federmesser ausgeschnittenes Rankenwerk gesetzt: eine Schau! Dass auch Herr „D. Martin Luther“ nicht fehlt, findet Aß besonders bemerkenswert. Es gibt, darauf weist er nachdrücklich hin, sogar Erotisches, Weltliches, Pädagogisches, Lustiges, Witziges.
Nach dem Leihgeber dieser geballt raren Pracht aus dem 18. Jahrhundert mit erstaunlich vielen sehr frühen Relikten aus jener Zeit gefragt, wird der Museumsleiter schweigsam. Ein Bayer? Ja. Ein Oberbayer? Jaha, ja! Aber mehr ist von Aß nicht zu erfahren. Wie er denn diesen begnadeten Sammler ausfindig gemacht habe, lässt er sich fragen, antwortet jedoch nur: „Da hat ein Zufall mitgespielt.“ Also wird ein Rätsel bleiben, wem es gelang, einen solchen Schatz zusammen zu bringen, zu horten und zu bewahren. Wer je ein Spitzenbild, ein echtes altes Unikat – nicht etwa ein maschinell hergestelltes, die „Spitze“ durch Stanzen erzieltes Massenprodukt des 19. Jahrhunderts – erwarb, weiß, was es ihn gekostet hat.