Eine Musik, die süchtig machen kann

von Redaktion

Peter Adler und „Concenti musicali“ überzeugen mit der neuen Doppel-CD – Betörende Musik des Hochbarock

Edling – Seit einem Vierteljahrhundert widmet sich Peter Adler mit seinem Edlinger Madrigalchor „Concenti musicali“ der hochbarocken Kirchenmusik, wobei für den Chorleiter und Musikwissenschaftler die bedeutende Figur des aus Wasserburg gebürtigen Komponisten Abraham Megerle absolut den strahlenden Mittelpunkt bildet. Und seit 25 Jahren dokumentiert Peter Adler die zunächst live aufgeführte Musik auf technisch wie interpretatorisch mustergültigen CDs.

Auf dem Cover der aktuellen Doppel-CD bläst der Engel aus der Rotter Kirche die Posaune, als wollte er verkünden: „Aufgepasst, Leute, hier gibt’s eine Musik, die ihr euch nicht entgehen lassen sollt!“ Wie klingt denn nun „Hochbarock“? Der stilistische Unterschied zum Spätbarock eines Johann Sebastian Bach oder Antonio Vivaldi ist nicht eben gering: Bach versucht, der menschlichen „Seele“ Stimme zu verleihen, sein Anliegen ist, den Blick des Gläubigen sehnsuchtsvoll nach oben zu lenken. Da spielen Gefühle eine große Rolle: Freude, Schmerz, Trauer, Reue. Im 17. Jahrhundert, etwa bei Megerle, will die Musik das „Jammertal“ prachtvoll ausgestalten, um einen Vorgeschmack des Jenseits auch einem schlichten Gemüt zu vermitteln. Diese „Gegenreformation“ ist gesellschaftlich natürlich längst überholt, als autonomer Musikstil hat sie jedoch ein nicht kündbares Bleiberecht.

Was überwältigt, kaum hat man die Scheibe eingelegt, ist der Sog eines leuchtenden, glitzernden und hochartifiziellen Klangbilds. Schon das Kyrie der Missa S. Augustini scheint nicht von dieser Welt zu sein: Die Gesangssolisten sind nicht Träger von Gefühlen, sondern ihre Stimmen dehnen sich, schwellen an, überlagern sich als reine Farben. Das mutet an wie der Blick in ein Kaleidoskop, wo sich Schönheit in wechselnden Konstellationen darbietet. Der Hörer erlebt einen – ungefährlichen – Rausch und wird süchtig – auch das völlig legal.

Nach den hervorragenden Solisten erfreuen die Streicher mit flirrenden und fragilen Tongirlanden, die Bläser haben ihre Instrumente fest im Griff und blasen mitunter stürmisch zur Attacke. Kirchenmusik muss also weder langweilig noch auch nur „meditativ“ sein. Abraham Megerle beweist das mit der Frische und dem Elan seiner kompositorischen Einfälle.

Ein Extralob dem Chor, der immer wieder ein gewichtiges Wort mitzureden hat, als Bestätigung des Vorhergehenden, als Steigerung der Spannung oder auch um die Spannung in breites Pathos fluten zu lassen. Immer punktgenau zum Einsatz bereit! Zu den beiden Messen (auf der CD 2 eine ausgewachsene „Missa solemnis“) gesellen sich kurze Sonaten, ein Te Deum, Magnificat, oder die „Litaniae Lauretanae“, zum Teil Beispiele für die Kunst Abraham Megerles, auch kürzere Stücke prägnant und pointenreich zu gestalten. Die Doppel-CD ist erhältlich bei den drei Wasserburger Buchhandlungen und im Internet. Sie kostet 24 Euro. Walther Prokop

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