Wasserburg – Wer kennt nicht die Geschichte vom kleinen Prinzen, der auf der Suche nach Freundschaft auf der Erde gelandet ist. In einer sehr freien Bearbeitung von Nik Mayr übernahmen es Annett Segerer, Susan Hecker und Thorsten Krohn, die wunderbare Entdeckungsreise des kleinen Prinzen nachzuerzählen.
Nicht jede Begegnung aus dem Buchtext findet Erwähnung. Und doch ist es eine ausgezeichnet komprimierte Fassung und auf das Wesentliche (!) reduziert.
Großartig schon die Eingangsszene, man sieht zwei Damen, in Blumenmuster gewandet, mit dem Blumendesign der Tapeten quasi eins werdend, die zweckbefreit sinnlosen Tätigkeiten nachgehen. Annett Segerer, die Papierfetzen sammelt und von A nach B trägt, Susan Hecker, die unbeweglich in ihrem Sessel sitzt und sich mit Gebäck und Tee die Zeit vertreibt.
Doch dann taucht Thorsten Krohn in einer Doppelrolle als Bruchpilot und als kleiner Prinz in der Wohnzimmeridylle der beiden Damen auf. Er stellt Fragen, über die es sich nachzudenken lohnt. So bittet er beispielsweise Susan Hecker, ihm ein Schaf zu zeichnen. Später fragt er: „Hat das Schaf die Rose gefressen oder nicht? Die Erwachsenen werden es nicht verstehen, welche Bedeutung diese Frage hat.“
Auch die Episode über die Geschichte der Entdeckung des Asteroiden B612 – der kleine Prinz stammt von dort – ist ein Lehrstück. Im Stück heißt es, dass dieser Asteroid „1909 nur ein einziges Mal von einem türkischen Astronomen in einem Fernrohr gesehen wurde, aber niemand hat ihm geglaubt. Und zwar ganz einfach seines Anzuges wegen.“ Erst als er 1920 in europäische Kleidung gewandet ist, schenken Mit-Wissenschaftler seiner Beobachtung Aufmerksamkeit. Kleider machen Leute. So einfach ist das.
Eine der herausragendsten Szene ist die Begegnung des kleinen Prinzen/Bruchpiloten mit dem Fuchs. Annett Segerer spricht ihn nach, ihr Fuchs ist eine papierne Handpuppe. „Spiel mit mir, ich bin so traurig,“ sagt der kleine Prinz. „Ich bin noch nicht gezähmt,“ sagt der Fuchs. „Was bedeutet zähmen?“ Antwort des Fuchs‘: „Etwas sich vertraut machen.“ Die Suche nach Gesellschaft, nach Freundschaft, die den kleinen Prinzen umtreibt, sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Da braucht es nicht einmal die Begegnung mit der Schlange. Denn zum Schluss singen die Schauspieler – am Akkordeon Thorsten Krohn – über die Bedeutung von echter Freundschaft: „Wie soll man es nennen, wenn sich Fremde erkennen?“
Der kleine Prinz ist eine Parabel. Und die Schauspieler des Theaters Wasserburg verstehen es meisterhaft, die Bildebene, also die konkrete Geschichte, textlich-präzise artikuliert und visuell mit wenigen Accessoires, Kostümen und Bühnendekoration verstärkt, darzustellen, aber auch die Sachebene, also die übertragende Bedeutung, ohne moralisch erhobenen Zeigefinger nahezubringen. Ein Theaterstück, das sich für Kinder ab zehn Jahren und für alle Erwachsenen lohnt. Denn wie heißt es? „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar… Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Man sollte sich diesen Sinnspruch ruhig öfter vor Augen führen. Elisabeth Kirchner