Prien – Rechtzeitig zum Beginn der Adventszeit präsentierte der Kabarettist Gerhard Polt im König-Ludwig-Saal sein Programm „Fröhliche Frohheit“, eine Sammlung urkomischer, bitterböser Geschichten, in denen die „stade Zeit“ einmal ganz anders erzählt wird. Denn wer Polt kennt, weiß: Besinnlichkeit sucht man hier vergeblich. Kongenial begleitet wurde er dabei von Musiker Ardhi Engl.
Bei Gerhard Polt darf und soll über Abgründiges gelacht werden – vor Polt ist eben nichts heilig. „Ist mir doch scheißegal, wie es dem geht“, eröffnet er trocken, während er über jene Menschen spricht, die zur Adventszeit plötzlich rührselig werden. Mit messerscharfem Humor seziert er das vorweihnachtliche Pflichtprogramm – seien es die Rituale, die der Alltag aufdrängt, oder etliche absurd-komische Versuche, Nächstenliebe zu praktizieren. Seine Geschichten sind bewusst überspitzt, enthalten aber zugleich viele unbequeme Wahrheiten, die den täglichen Wahnsinn pointiert einfangen – „fast wia im richtigen Leben“ eben.
So formt Polt aus jedem Irrsinn treffend-komische Gesellschaftsstudien. Da wird der heilige Nikolaus zum Katalysator erster Rebellionserfahrungen einer unbeholfenen Jugendbande, der Krampus zur personifizierten Pädagogik des Schreckens. Nüchtern und mit gewohnt derber Pragmatik stellt Polt fest: „Manchmal dauert es eben, bis man erkennt, dass der Nikolaus kein Heiliger, sondern schlicht ein Mensch ist – und der Krampus, nun ja, ein Arschloch.“
Musikalisch begleitet wurde Polt von Ardhi Engl, dem bairisch-sumatranischen Multiinstrumentalisten und Instrumentenerfinder. Engl, seit 2005 regelmäßig an Polts Seite, bildet mit dem Komiker ein kongeniales Duo: Während der eine das Menschliche – oder Unmenschliche – im Menschen erforscht, experimentiert der andere mit Klang und selbst gebauten Instrumenten – bis die Musik selbst zur erzählerischen Kraft wird und die Instrumente zu schrulligen Komikern. So musiziert Engl etwa auf einer „Stangerlgeige“ aus einem hohlen Rohr, baut aus einem Handschuh und einer Blockflöte eine Art Dudelsack, entlockt seiner selbst gebauten Nasenflöte chinesisch angehauchte Töne und spielt die Gitarrensaiten mit einem kleinen Ventilator.
Trotz aller Absurditäten und großem Gelächter, kommt man nicht umhin, manchmal doch innezuhalten und Engls virtuos-handwerkliches Können zu bewundern: Hier spielt jemand technisch auf höchstem Niveau. Herrlich ist dabei auch, auf welch lakonische Art der gebürtige Münchner seine Konstruktionen präsentiert – passend zu Polts trockenem Humor eben.
Trocken war an diesem Abend nicht nur der Humor – sondern auch der berühmte Sandkuchen von Frau Haberl, so erinnert sich der Kabarettist in seiner Anekdote: Als kleiner Bub besucht Polt die Mutter seines Spezels Mane, die ihm ein überdimensionales und äußerst trockenes Stück ihres Sandkuchens reicht.
Verzweifelt kämpft er mit der süßen Last, presst die Lippen zusammen und atmet flach, um den Puderzucker nicht in die Luftröhre zu bekommen. Der unvermeidliche Hustenanfall, der ihn schließlich knapp vor der Erstickung rettet, verteilt das Gebäck auf Perserteppich und Kanapee.
„Was soll man machen, wenn’s einem so gut schmeckt“, merkt Frau Haberl darauf an und rät dem Buben, den Rest des Kuchens alsbald zu verzehren, denn „sonst wird er noch trocken“.
Für Atemnot sorgte die Anekdote auch beim Publikum: Lautstark lachte es über den wahnwitzig geschilderten Überlebenskampf, mit dem der Kabarettist einen äußerst erfolgreichen Abend schloss: Fast 45 Minuten länger als ursprünglich geplant stand der mittlerweile 83-Jährige auf der Bühne und wurde mit tosendem Applaus belohnt.
Eines ist sicher: Wer den Auftritt von Gerhard Polt und Ardhi Engl erlebt hat, wird die Vorweihnachtszeit künftig vielleicht mit einem anderen Blick betrachten – und mit der Gewissheit, dass die „stade Zeit“ alles andere als stad bleiben muss.Ilaria Heindrich