Geschichten und Musik im Licht der Kerzen

von Redaktion

Sabine Sauer und das Wössner Erntedank-Ensemble in der Villa Sawallisch

Grassau – In unseren nüchternen Zeiten, in denen liebgewordene Rituale zunehmend entzaubert werden, sind wir alle schon mal dem Weihnachtsmuffel begegnet. Vielleicht auch der verschärften Version, dem vierwöchigen Adventsmuffel. Sollte sich eines dieser bedauernswerten Geschöpfe an diesem Abend in die Villa Sawallisch verirrt haben – als erzwungene Begleitung zum Beispiel – wären wir sicher Zeugen einer Bekehrung geworden.

Das Rezept dafür ist ganz einfach: „Literatur und Musik“ heißt die Methode, die zugleich Motto einer beliebten Veranstaltungsreihe in der Villa Sawallisch ist. Und im Advent nicht zu vergessen: das Licht der Kerzen. Es war zwar nur eine einzelne rote, die am Lesepult von Sabine Sauer ihr Licht spendete, dafür war die Auswahl ihrer Geschichten umso vielfältiger. Nun sind uns Adventslesungen nichts neues, manchmal mit Neigung zur bedächtig-rührselige Stimmung. Doch zum Glück ist das bei Sabine Sauer alles anders. Allein schon wegen ihres warmen heiteren Plaudertons, in dem sie an diesem Abend Persönliches, Alltägliches und Hintergründiges zwischen die vorgelesenen Geschichten mischt.

Woher sie ihre Auswahl hat, bleibt zwar meist offen, doch wer will schon etwas über Autoren wissen, wenn es so heiter rührend menschelt wie bei der armen Rentnerin, deren Bettelbrief an dem Himmelvater vom Finanzamt beantwortet wird. Oder wenn der Kaufmann Ehrenwert dem kleinen Mädchen ohne Geld doch noch zu ihren Kerzen verhilft, damit das Christkind den Weg zu ihm findet. Solche Erzählungen werden mit Sabine Sauers Bühnenpräsenz zu echten kleinen Aufführungen mit verteilten Rollen. Und skurril kann es schon mal werden, wenn der als Spieluhr sich drehende Christbaumständer an Heiligabend seine mechanische Kontrolle verliert und der Baumschmuck das Fliegen lernt.

Die weihnachtliche Frohbotschaft bleibt in der Villa Sawallisch aber nicht vergessen, dafür sorgt zwischendurch ein kluger Text von Anselm Grün, der an den christlichen Ursprung des kommenden Festes erinnert. Literarisch wird es dann am Ende des Leseteiles mit dem wunderschönen Weihnachtsgedicht von Joachim Ringelnatz; aber stand der Abend nicht unter dem Motto „Literatur und Musik?“ Ohne die Musik des Wössner Erntedank-Ensembles, soviel steht fest, wäre es mit der Bekehrung der womöglich im Konzertsaal versteckten Weihnachtsmuffel nichts geworden. Der Darbietung der sechs Musiker muss man sich einfach hingeben.

Unter der Leitung von Otto Dufter (Diatonische Harmonika, Gitarre) spielen Sigi Meier die Harfe, Cornelia Schlegel das Hackbrett, Rudi Ritter die Zither, Sepp Linhuber die zweite Gitarre und Benedikt Landenhammer den Kontrabass. Die ausgewählten Stücke in bester Tobi-Reiser-Tradition sind stimmig eingepasst in die Lesung, dem Ensemble hört man seine Erfahrung aus vielen Auftritten an, denn das ist ein Konzert von Profis auf höchstem Niveau. Viel Applaus zwischendurch und am Ende aufrichtige Begeisterung beim Publikum.

Klaus Bovers

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