Das Wasserrad vor dem Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum kennen viele.
Rosenheim – Das stählerne Wasserrad, das mit seinen sechs Metern Höhe zwischen dem Salingarten und der Halle des Kultur- und Kongresszentrums vermittelt, kennen viele in Rosenheim. Etwas weniger bekannt ist dagegen sein Schöpfer, der Bildhauer Josef Hamberger. Am Stephanitag, 26. Dezember, jährt sich heuer zum 100. Mal der Geburtstag des Künstlers, der in Pfannstiel, oberhalb von Frasdorf, als fünftes Kind der Bauersleute Lorenz und Therese Hamberger auf dem Niggl-Hof geboren wurde.
Vom Rhein bis Niederösterreich, von Tirol bis in die Oberpfalz lassen sich die Werke des Henselmann-Schülers finden. Zwei Schwerpunkte stehen dabei im Mittelpunkt: Ausstattungen von Kirchen und Kunst im öffentlichen Raum.
Rund 70 Kirchen
komplett ausgestattet
Da es kein Werkverzeichnis gibt, lässt sich die Anzahl der Gotteshäuser, die der Bildhauer komplett ausgestattet hat, nur schätzen. Es dürften über 70 sein und einige davon hat er sogar zweimal neu gestaltet, wie in Rosenheim die Nikolauskirche und die Klinikumskapelle. Für Dutzende weitere Kirchen und Kapellen entwarf er Einzelteile. Seine Arbeit konzentrierte sich auf die Prinzipalstücke, also die Hauptteile für die Liturgie: Altar, Ambo und Tabernakel. Dazu konnten sich Leuchter, Kreuze, Kreuzwege, Taufsteine, Figuren, Weihwasserbecken, Sitze und Brunnen gesellen.
Dabei entwickelte Josef Hamberger über die Jahrzehnte eine ganz persönliche Handschrift. Charakteristisch für ihn ist eine gewisse Tendenz zur Abstraktion, ohne das Figurative je zu verlassen. Gerne setzte er auch Halbedelsteine wie Bergkristall oder Amethyst, die er im Münchner Mineralienhandel selbst sorgfältig auswählte, in seine Bronzeplastiken ein. Bei allen Variationen und dem Reichtum an Gestaltungen, wer mit dem Werk des Rosenheimers vertraut ist, erkennt seine Arbeiten sofort.
Bescheiden, zurückhaltend, aber konsequent
„Der Raum muss klingen.“ Das war ein eherner Grundsatz Hambergers und er machte es sich und seinen Mitstreitern, den Architekten, Handwerkern, Pfarrern oder den Kunst- und Baureferenten im Erzbischöflichen Ordinariat, nie einfach. Modelle und Zeichnungen dienten als Diskussionsgrundlagen und bis nicht alle überzeugt waren, wurde nicht weitergemacht. Dabei blieb der Künstler stets ruhig, bescheiden und zurückhaltend, aber konsequent in der Sache.
Im Leben von Josef Hamberger gab es positive Weichenstellungen, die er als zutiefst gläubiger Christ als die ihn führende und schützende Hand Gottes empfand. Da wäre von seinem Schicksal als Soldat an der Ostfront und seinem Jahr in sowjetischer Gefangenschaft und der jüdischen Lagerärztin zu erzählen, die den halb verhungerten und schwer kranken Neunzehnjährigen nach Hause schickte. Da wäre aber auch von seinem Weg auf die Kunstakademie in München zu berichten, wo er „zufällig“ auf Josef Henselmann traf, der ihn für den Herbst 1946 als Student aufnahm. Eine kleine Schnitzfigur des heiligen Sebastian hatte den Professor vom Talent des Zwanzigjährigen überzeugt. Da wäre aber auch sein Gastsemester 1950/51 am Royal College of Art in London zu nennen, wo er Henry Moore kennenlernte, der ihn als Person und mit seiner Auffassung von Kunst beeindruckte.
1955 heiratete Josef Hamberger die Rosenheimer Geigerin Lore Hörmann und ließ sich in der Innstadt als freischaffender Künstler nieder. Seinen ersten Großauftrag erhielt er 1958 mit der Ausstattung der Kirche St. Hedwig in der Erlenau in Rosenheim. Die Ideen rund um eine neue Liturgie, die dann das Zweite Vatikanische Konzil 1965 formulieren sollte, lagen schon in der Luft. So entwarf der an Fragen der Theologie Interessierte einen Volksaltar, auf dem mittig der Tabernakel mit Türen vorne und hinten platziert war. „Wir wussten damals nicht, in welcher Richtung der Geistliche zelebrieren wollte. Also hielt ich beide Möglichkeiten offen“, erklärte dazu der Gestalter. Auch in den Kirchen Heilig Blut in Großkarolinenfeld (1959) und Josef der Arbeiter in Rosenheim-Oberwöhr (1961) stellte Hamberger damals den Tabernakel auf den Altar. Das monumentale Kruzifix an der Altarwand von St. Hedwig ist seine 1954 geschaffene Abschlussarbeit als Meisterschüler von Josef Henselmann an der Akademie.
Josef Hamberger unterschied sehr genau, ob der Neubau einer Kirche oder ein älterer, historischer Sakralbau ausgestattet werden sollte. Gerade für Neubauten schuf der Künstler großartige zeittypische Altaranlagen, wie für St. Josef in Hörgering in der Gemeinde Siegsdorf (1976), Christkönig in Straubing (1978), Maria Trost in München-Allach (1971), Zwölf Aposteln in München-Laim (1983) oder Neu St. Ulrich in Unterschleißheim (1986). Hier fällt vor allem die Altarwand ins Auge, wo konzentrische Kreise aus Kreuzen und Kreisen eine Bronzefigur des Lammes rahmen.
Besonderes Fingerspitzengefühl erforderte die Neuausstattung älterer Kirchenbauten. Hier reagierte der Bildhauer sensibel auf den Raum, seinen Klang, seine Farben und schuf Volksaltäre, die im besten Fall, wie in der Wallfahrtskirche Heilig Blut am Wasen in Rosenheim (1999) oder in St. Peter in Steinkirchen auf dem Samerberg (2000) wirken, als ob sie schon immer da gewesen wären.
Mehrfach arbeitete der Bildhauer mit namhaften Architekten zusammen. So mit Michael Steinbrecher in den 1960er-Jahren bei der Purifizierung und Neuausstattung der Nikolauskirche in Rosenheim, der Kirche St. Jakob in Bad Endorf oder der Kirche St. Anton in München in der Isarvorstadt. Nicht alle waren von den zeittypischen Gestaltungen damals begeistert, so mancher empfand sie als zu radikal.
Herausragende Aufträge waren die Ausstattungen zweier Kirchen des Architekten Alexander von Branca. Für die Anbetungskapelle (1976) auf dem Schönstatt-Berg bei Vallendar entwarf Hamberger ein monumentales Holzkruzifix, das der trutzburgigen Natursteingestaltung ein deutliches Gewicht entgegensetzen konnte. Extravagant ist die zentral im Raum freistehende Tabernakelanlage Hambergers in der Pfarrkirche St. Johannes (1979) im oberpfälzischen Diesenbach bei Regenstauf.
Bedeutend auch die Arbeiten für zwei österreichische Stifte, wo er in Göttweig die romanische Erentrudiskapelle (2005/06) und in Wilten die Hauskapelle (2013) zum Klingen brachte. Feine Wandzeichnungen und zarte Reliefs zeichnen gerade seine späten Werke aus.
Josef Hamberger, der zahlreiche Gotteshäuser in unserer Region ausstattete, arbeitete mit unterschiedlichen Materialien. In Holz schuf er zarte, schlichte Madonnen wie in Haidholzen, Ingolstadt oder Straubing; in Stein neben Altären und Brunnen auch Schafe, wie auf dem Pausenhof der Schule von Stephanskirchen; in Bronze abstrahierende Heiligenfiguren, das Portal in Irsing (1969) oder die Reliefstele „Im Kreuz ist Heil“ (2010) vor der Kirche in Raubling, an deren Gestaltung er drei Jahre lang modellierte.
Auch mit Beton
gearbeitet
Schon als dreijähriger Bub hatte sein Talent aufgeblitzt, als er aus Teig kleine Tiere knetete. Beton bot die Möglichkeit für großformatige Arbeiten wie das Relief an der Hochschule in Rosenheim (1968) oder das Kreuz vor der Kirche in Haidholzen (1970).
Die beiden letzten Gesamtausstattungen schuf der auch im hohen Alter noch unermüdlich Tätige für die neue ökumenische Kapelle im Romed-Klinikum Rosenheim und die Wallfahrtskirche Maria Stern in Neukirchen am Simssee. Ein schöner Abschluss eines reichen Künstlerlebens – ein Kirchenneubau und eine Barockkirche – und für beide fand der Künstler eine individuelle und harmonische Lösung. Beide Kirchenräume konnten erst 2023 geweiht werden, aber das erlebte Josef Hamberger nicht mehr. Er war am 1. Mai 2019 mit 93 Jahren in seinem Haus in der Sternstraße in Rosenheim verschieden.
Mahnmal auf dem
Rosenheimer Friedhof
Josef Hamberger, von dem einige Grabanlagen, nicht nur auf dem Rosenheimer Friedhof, stammen, ist auch der Schöpfer des 1963 eingeweihten Mahnmals auf der Wiese vor Friedhof und ehemaliger Klosterkirche. Seine „Trauernde Frau“, flankiert von neun hohen Metallkreuzen, mahnt zum Frieden. „Ich mache ein Mahnmal, kein Heldendenkmal. Ich habe keine Helden gesehen. Im Krieg sind alle jämmerlich gestorben“, äußerte der Künstler dazu.
Mit seinen Weggefährten Rainer Dillen und Heinz Kaufmann nahm der engagierte Denkmalschützer kritisch Stellung zur Entwicklung des Rosenheimer Stadtbildes. Die Stadt Rosenheim ehrte Josef Hamberger 1999 mit der Goldenen Bürgermedaille und 2011 mit dem Kulturpreis.
Zum 75. Geburtstag richtete ihm 2001 das Städtische Museum Rosenheim die letzte Ausstellung aus. Der Bildband, den damals Robert Berberich und Ludwig Gruber veröffentlichten, ist schon lange vergriffen. Schön, dass Josef Hamberger in seinen Werken, wie zum Beispiel dem Apostelweg auf den Petersberg, weiterlebt.