Prien – „Pink Paradise“, das sind Rudolf Finisterre, Martl Fritzsche, Christian Hess, Peter Pohl und Hannes Stellner: fünf Künstler, fünf künstlerische Sprachen – und doch ein gemeinsamer Raum, eine gemeinsame Haltung. Deren Arbeiten sind aktuell in der Studioausstellung in der Galerie im Alten Rathaus zu sehen. Die Galerie präsentiert zeitgleich im Rahmen der „Künstlerlandschaft Chiemsee ‘25“ viele andere Werke von Künstlern der Region.
Der Betrachter darf eine Künstlerlandschaft erleben, in der junge, zeitgenössische Kunst auf erfahrene Künstler trifft, in der traditionsreiche Vergangenheit mit stilistischer Vielfalt verschmilzt und in der sich Farbpracht und Monochromie munter nebeneinander gesellen.
Vielfalt an
künstlerischen Positionen
Zuerst also auf in die Künstlerlandschaft. Man kann an dieser Stelle nicht auf jeden einzelnen Künstler eingehen, einige Namen seien aber erlaubt. Täuschend echt mutet etwa Franz Feistls naturalistisches Pastell „Waldeinsamkeit“ an, während Heidi Franks „Fragmente der Erinnerung“ in Acryl, Leinfarbe und Kohle ein abstraktes Stillleben darstellen. Gregor Passens „Kong Bozetti“ aus Keramik und Steinzeug, glasiert, stellt – unschwer zu erkennen – einen Gorilla dar. Die aus Eichenholz gesägte und mit vielen Kanten versehene Figur „Ecki de Saint Phalle“ von Peter Rappl hingegen erinnert nur weit entfernt an die runden Nana-Figuren Niki de Saint Phalles. Ilse Rummel-Dietrichs Acryl-Kreide-Gemälde ohne Titel ist angelehnt an Mark Rothkos Farbfeldmalerei. Gudrun Reubels „fragile Ordnung“ sind 16 kleine Quadrate, gefüllt mit Linien und Strichen aus Öl und Fineliner. Tatjana Raums „Zauber der Stille“ ist ein anmutiger Frauenkopf, aus Ton und Schwemmholz geformt.
Erica Heisingers „Diagonale“ in Rot/Schwarz beziehungsweise Gelb/Schwarz aus Edelstahl, Glas und Folien bestechen je nach Standpunkt des Betrachters durch ihre Anordnung und ihr inneres Leuchten. Claudia Weber hat sich von der Rastervergrößerung alter Meister bei „Cerebellum“ inspirieren lassen. Das Kleinhirn, hier anmutig auf schwarzem Hintergrund drapiert, hat etwas von einer Muschel. Skulpturale Leichtigkeit spürt man bei Franziska Bürgers „Zwischen den Welten“, auch wenn sie als Material das Holz des Mammutbaumes verwendet.
Beeindruckend sind die flirrenden Farben bei „Prelude 38“ von Bernhard Paul, während bei Stefania Peters Tusche/Aquarell-Bild „Wasserkraft E-Werk Prien“ – neben der beinahe fotografisch anmutenden Darstellung – die unterschiedlichen Blautöne des herabströmenden Wassers in den Bann ziehen.
Auf dem Rundgang gelangt man schließlich in den großen Raum im zweiten Stock, zu „Pink Paradise“. Bei einem Exklusiv-Rundgang mit den OVB-Heimatzeitungen begründet das Kollektiv seinen Namen. Ein Garten kann ein Paradies sein, und „das Pink war halt irgendwann da“. Pink sei Kitsch, eine subversive Farbe („Denken Sie nur an den rosa Panzer“) und stehe für Brechung, Unterwerfung von Konventionen, Strukturen. Pink sei „keine süße Tönung, sondern ein Mittel der Brechung – das Unerwartetes sichtbar macht“, hat es Inge Fricke, Kuratorin der Ausstellung bei der Vernissage formuliert. Für die Künstlergruppe sei „Pink Paradise“ ein „Ort, der erzählt von Lust, die Dinge anders zu sehen, vom Mut, sich der Erkenntnis auszusetzen, und vom Abenteuer, das entsteht, wenn man das Gewohnte verlässt.“
Auf buttermilchfarbenen Kreisen präsentiert Hannes Stellner seine bekannten Ohrenskulpturen. Peter Pohl hat sich von der Natur inspirieren lassen und aus Nylonstoff und Schaum einen schwarzen Käfer, einen Scarabaeus sacer, geformt. Rudolf Finisterre hat seine Draht-Wandarbeiten aus Silikon und Kupfer „Jelly Blossoms“ (Quallenblüten) getauft: Seine Meereslebewesen verzaubern mit ihren imponierenden Schattenspielen.
Christian Hess zeigt hingegen, wie aus geometrischen Formen poetische Strukturen werden. Da ruht der Wendelstein, ein Ziegelrelief, und die Wand schmückt „Schieflage“. Feingliedrige DNA-Ketten – oder sind es doch lauter Kästchen ohne echte Form? Der Titel Schieflage erinnert an den Zeichentrickfilm „Pink Panther“, bei dem eine schiefliegende Sanduhr die Zeit ticken lässt. Ist Pink also die Lösung, wie es die übergroße Arzneiflasche mit pinker Farbe mitten im Raum auf einer Stele suggeriert? Oder sollte man die Welt besser durch die rosa Brille betrachten?
Martl Fritzsche lädt in seiner kleinen Werkstatt zum Basteln von pinken Papierbrillen ein. Daneben läuft im „Fernseher“ mit pinkem Plüschrahmen eine Doku über das Projekt UFO, ein sechseckiges Objekt mit sechs Fenstern, in pinker Farbe. Die große Wand haben sie gemeinsam bespielt, es ist eine Art Moodboard aus lauter Postkarten mit unterschiedlichsten Motiven.
Eine Einladung,
die Welt zu entdecken
Kunst, das zeigt diese Ausstellung, ist kein Rückzug ins Paradies, sondern die Einladung, die Welt bewusst, mit Neugier und Empathie zu sehen. Bei der diesjährigen Ausstellung der Künstlerlandschaft Chiemsee gibt es viel zu entdecken. Großartig, wie es den Machern der Ausstellung wieder einmal gelungen ist, die traditionsreiche Vergangenheit zu bewahren, aber auch die zeitgenössische Kunst zu fördern und ihr eine angemessene Bühne zu bieten.