Ein Abend mit dem Menschen Erich Fried

von Redaktion

August Zirner und Hariolf Schlichtig spüren bei einer fulminanten literarisch-musikalischen Veranstaltung dem österreichischen Dichter nach

Rimsting – August Zirner, Querflötist und Schauspieler, und Hariolf Schlichtig, Bratschist, widmeten dem Dichter Erich Fried (1921 bis 1988) gleich einen ganzen literarisch-musikalischen Abend. Und, soviel, vorweg: Der Abend in der Rimstinger Werkstatt ließ seine Zuhörer berückt zurück.

Schon beim Vorab-Gespräch hatte August Zirner über den österreichischen Lyriker, Übersetzer und Essayisten Fried gesagt: „Er war eben ein Mensch!“ Und genau das führten die beiden an dem Abend vor. Genial, wie Fried mittels Beschreibung eines Hühnerhofs die menschliche Dummheit und die Absurdität des Lebens darzustellen vermag (mit einem großartig rezitierenden Zirner), eindrücklich untermalt mit Geschnatter und Gegacker (ein wunderbar Hühner imitierender Schlichtig). Oder sei es die Frage der politischen Gesinnung: „Wenn ein Linker denkt, dass ein Linker, bloß weil er links ist, besser ist als ein Rechter, dann ist er so selbstgerecht, dass er schon wieder rechts ist.“ Treffer, das saß. Genau wie die Frage „Hat dich das Kind gestört?“ (wenn während der Unterhaltung unter Erwachsenen man dem Kind sagt: Kind geh spielen).

Die beiden verstanden es meisterhaft, ohne moralischen Zeigefinger, aber mit Haltung, das Leben des Dichters, seine Gedankenwelt und wie er mit seinen Gedichten gegen das Unrecht anschrieb nahezubringen. Da ging es um den jungen Erich Fried, der aus seiner Schulzeit berichtet: „Auf dem Schulweg und in der großen Pause wurde viel diskutiert, gestritten, manchmal auch geschlagen, aber dass einer einen politischen Gegner verraten hätte, kam nicht vor.“ Aber eben auch um dessen Flucht aus Österreich und wie er dann zeit seines Lebens gegen das Vergessen anschrieb.

Es war ergreifend, wie die beiden Darsteller es beim Rezitieren auskosteten, dass es Fried in seinen Werken gelang, jegliche Anspielung auf irgendwelche Aktualitäten zu vermeiden. Weder war an dem Abend direkt von Juden die Rede noch von Nazis, weder von Israelis noch von Palästinensern, lediglich von Menschen, die anderen etwas antun, und von Menschen, denen etwas angetan wird. Und natürlich durfte auch das Gedicht „Es ist was es ist, sagt die Liebe“ nicht fehlen. Das die beiden abwechselnd rezitierten. „Hätte ich doch bloß nicht dieses Gedicht geschrieben“, sagt August Zirner an einer Stelle. Aber für Klagen ist es zu spät, das Gedicht ist urheberrechtlich geschützt, selbst auf Tassen, aus denen sich die beiden Protagonisten dazu genüsslich einen Schluck genehmigten, kommt man dem Gedicht nicht aus. Aus dem Nachhall der Gedichte ließen die beiden Improvisationen auf Bratsche und Querflöte wachsen, Melodien, die mal verliebt, mal melancholisch, mal sanft, mal energisch klangen. Viel zu schnell verging der Abend, der mit einem beinahe wehmütigen Abschied ausklang: „Du kommst nicht, du bist schon im Gehen.“ Und mit dem Rücken dem Publikum zugewandt, verließen die beiden den Saal. Aber natürlich nur, um wieder zurückzukehren und sich für den euphorischen Applaus der Zuhörer mit einem Zwiefachen zu bedanken. Elisabeth Kirchner

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