Rosenheim – Wenn man den Begriff „Weihnachtsoratorium“ hört, denkt man sofort an Johann Sebastian Bach, der diese Form nutzte, um die Weihnachtsgeschichte in eine dramatische Form zu bringen, ohne sie szenisch darzustellen. Oratorium kommt von lateinisch „orare“ beten und das ist der Hintergrund solcher Aufführungen für Chor, Orchester und Solisten. Das Ganze wird geleitet von einem Dirigenten, ein Evangelist führt in Rezitativen durch die Handlung.
Ein Adventssingen mit strikten Formen
Auch wenn Hans Bergers Oratorium unter dem Titel „Rosenheimer Adventssingen“ lief, hatte es doch die wesentlichen Elemente dieser strengen musikalischen Form: einen Chor, ein Orchester, einen Evangelisten und Solisten, die aus dem Chor heraustraten und das Geschehen mit Liedern kommentierten. Und natürlich eine Dramatik.
Hans Bergers Weihnachtsgeschichte beginnt mit dem Fest Christkönig, also noch vor der eigentlichen Adventszeit, gefolgt von der Geschichte Anna und Joachims, den Eltern Marias. Im Hintergrund eine beinahe ikonenhafte byzantinische Darstellung, auf der Maria als kleine Erwachsene auf dem Schoß sitzt. Maria hat eine sternförmige Blume in der Hand und weist damit schon hin auf die Aufforderung des Konzerts: Sehet den Stern.
Berger erzählt seine Weihnachtsgeschichte mit selbst komponierten Stücken und Vertonungen aus der Bibel, er verzichtet gänzlich auf bekannte Weihnachtslieder. Er verzichtet auch auf einen Sprecher, der die „Heilige Nacht“ liest, er erzählt die Geschichte mit Musik und Bildern. Bildern aus seiner Heimat, zusammengestellt von Antonia Wutz. Doch die großformatige Bilderpräsentation, die Landschaften, Krippen und Kirchen aus der Region zeigt, ist mehr als eine Hintergrundprojektion. Sie führt durch die ganz persönliche Weihnachtsgeschichte von Hans Berger, der immer alles ganz von Anfang betrachtet und zum großen Ende hinarbeitet. Es sind Bilder aus dem Kloster Reisach und Kiefersfelden, aus Fürstätt und Pang, aus Rosenheim und natürlich aus Oberaudorf und Seebach, woher er stammt, wo er hingehört, wo er sich das alles ausdenkt. Da kann man sich fragen, gibt es zuerst die Bilder oder die Musik? Alles passt zusammen, auch die grüne Schafweide im Hintergrund, wenn die Riederinger Hirtenkinder auftauchen. Die sind immer ein Höhepunkt mit ihrer natürlichen Unbedarftheit und Frische, Kinder halt, die nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen sollen, wenn plötzlich ein Engel auftaucht. Sie gehören seit 15 Jahren zu Bergers Adventssingen und folgen ebenfalls dem Stern, singen und jodeln und beschließen, dem Christkindl, sollten sie es finden, ein Standerl vorzuspielen. Ob sie das denn könnten? „Des Kindlein und de Maria und der Josef werden es scho ned so genau nehma.“ Wenn sie ihre Instrumente aus ihren handgenähten Leinen-Rucksäcken auspacken, stehen sie den „großen“ Musikern und Sängern in nichts nach. Und das Jesuskind wird seine Freude daran haben.
Nach der Hirtenspiel-Einlage steuern die Sängerinnen und Sänger des Montini-Chores und des Hans-Berger-Ensembles auf den Höhepunkt zu, Andreas Smettan, der schon im ganzen Konzert als Evangelist auftrat, eröffnet mit „Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer“ das fulminante Gloria, das, da hat der Hans Berger recht, auf Lateinisch gesungen werden muss und damit wieder einmal den Oratorien-Charakter hervorhebt. Da wird aus dem Hans-Berger-Ensemble ein großes Orchester, das es eh ist, mit Hörnern und Trompeten, Fagott und Pauke, Oboen und Klarinetten, Geigen und Bass, Hackbrett, Harfe und natürlich Zither und zwei Blockflöten, die dem Ensemble immer einen Hauch von festlicher Hirtenmusik verleihen. Richtig zur Geltung kommen die beiden Flötistinnen im „Flöten-Boarischen“, der dem ursprünglichen „Orgel-Boarischen“ entlehnt ist.
Nun ist erfüllt, was vorausgesagt ist, das Lied dazu „Ein Kind ist uns geboren heut“ hat Hans Berger im Dreivierteltakt gesetzt, da möchte man vor lauter Freude am liebsten mitschunkeln. Aber es geht immer noch mehr, der Stern geht auf, wieder zeigen alle, was in ihnen steckt, vor allem eines: Freude. Plötzlich klingt der Montini-Chor doppelt so groß, das Ensemble hat sich auf wundersame Weise vergrößert. Im Hintergrund würde man jetzt eine Sternen-Projektion erwarten, den Stern von Bethlehem, aber zu sehen ist eine Krippe, eingebaut in eine Zither. Soviel sagt dieses Bild. Die Krippe ist überall, das Jesuskind omnipräsent, für einen Hans Berger eben in einer Zither.
Und dann wird es noch einmal ganz andächtig, nun gibt es doch ein Weihnachtslied, das alle mitsingen können, Hans Berger dreht sich um und fordert alle zum Mitsingen, nein eher zum Mitjodeln auf beim Andachtsjodler, da braucht’s auch keinen Text, der versteht sich von selbst. Und weil alle schon stehen und diese eineinhalb Stunden mehr waren, als ein Rosenheimer Adventssingen, stimmen Orchester und Chor „Großer Gott wir loben Dich“ an.
Ein musikalischer Erzähler verabschiedet sich
Hans Berger ist ein großer musikalischer Erzähler und verabschiedet sich mit diesem Adventssingen vorübergehend aus dem Kultur- und Kongresszentrum. Er ist der Meinung, das Rosenheimer Adventssingen solle hauptsächlich von Chören und Gruppen aus Rosenheim bestritten werden. Er fände es nämlich prima, wenn sich etwas ändert und er habe auch noch einiges vor. Und so bleibt am Ende sein Leitspruch „Das Beste ist noch nicht vorbei, es fängt gerade erst an.“