Lichtvoller Impuls in dunklen Zeiten

von Redaktion

Neues Sakralkunstwerk „Lichtregen“ im Campus St. Michael in Traunstein vorgestellt

Traunstein – Bei einem Adventsmarkt konnten Besucher das bereits eröffnete neue Studienseminar am Campus St. Michael kennenlernen. Im Rahmen einer Vernissage wurde jetzt auch das zentrale Sakralkunstwerk „Lichtregen“ im Gebets- und Meditationsraum des Internatsgebäudes erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Architektin Anna Heringer hat es zusammen mit den Schülern und weiteren Kooperationspartnern geschaffen.

Stiftungsdirektor Wolfgang Dinglreiter und sein Stellvertreter Dr. Christian Lenze erzählten die spannende Geschichte der Entstehung. Mit einfühlsamen Musikstücken und Improvisationen am Klavier bei Licht und im Dunkeln sorgte Musikpräfekt Stephan Hadulla dabei für besondere Erlebnisnoten des sinnenreichen Abends.

Die Themen nachhaltiges Leben und Schöpfungsspiritualität prägen spätestens mit der Vollendung des benachbarten Lehmbaus in diesem Jahr sehr konkret und sinnlich erfahrbar die inhaltliche Ausrichtung des neuen Campus St. Michael. Beide Anliegen waren auch impulsgebende Kräfte bei der Entwicklung des neuen Sakralkunstwerks. Eine Idee dabei war, das Licht als „zentrales Symbol für das Leben durch alle Religionen hindurch“ erfahrbar zu machen und auch dem Staunen sowie dem Offensein für die Wunder der Schöpfung Ausdruck zu verleihen, wie Dinglreiter deutlich machte.

Lenze verwies auf konkrete Vorbilder, die als Inspirationsquelle gedient haben: die 1955 vom finnischen Architekten Eero Saarinen auf dem Campus-Gelände der Universität Cambridge realisierte Kapelle des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Zentraler Blickfang in dem zylindrischen Backsteingebäude ist eine von dem Bildhauer Harry Bertoia geschaffene Skulptur in Form einer Lichtkaskade oberhalb des Altars.

Heringer entwickelte daraus ihre Vision eines „Lichtregens“. Optischer Blickfang sind dabei kleine Holzplättchen, die mit Seide umhüllt sind. Diese sind an kleinen messingfarbenen Metallstangen befestigt, die von oben in Licht getaucht werden. Von oben nach unten verändert sich die Farbe des Seidenstoffs von reinem Weiß in kraftvolle Farbakzente. Damit wechselt auch der Ausdruck vom Weiß als Sinnbild von Reinheit, Klarheit und geistigen Ideen hin zur Farbigkeit kraftvoller Erdverbundenheit. Auf die hohe – auch biblische – Symbolkraft der Zahl Zwölf verweisen die unter dem „Lichtregen“ platzierten Messingschalen. Man denke nur an die Gemeinschaft der zwölf Apostel.

Mit dem je nach Lichteinfall changierenden Farbwechsel des Seidenstoffs spielt auch die Wandgestaltung unter dem Motto „Funkenflug“. Die unterschiedlich großen, stoffüberzogenen Holztafeln setzen farbige Akzente und verwandeln die Wand in eine Art Tableau voller lebendig herumwirbelnder Ideen. Diesen Eindruck verstärken aufgestickte Sinnsprüche oder Gedanken aus biblisch-spirituellen Zusammenhängen.

Brückenschlag in
den globalen Süden

Die Schüler haben die Zitate ausgesucht. In gestickte Kunst übersetzt wurden sie mithilfe eines Frauenprojekts in Bangladesch, mit dem die Architektin Anna Heringer kooperiert. Damit schlägt das Sakralkunstwerk auch Brücken in den globalen Süden und wird zum Sinnbild für integrierende Gemeinschaft, Frieden und globale Gerechtigkeit. Dies gilt umso mehr, als auch eine Besucherin aus einem Inklusionsprojekt der Caritas in Traunstein in unendlicher Fleißarbeit für die Stoffeinfassung der vielen Holzplättchen gesorgt hat.

Gedanklich Pate gestanden hat für den Wandaufbau, so erzählt es Lenze, die vom Architekten Egon Eiermann Ende der 1950er-Jahre neugestaltete Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Ein Blickfang dort ist die vom französischen Glaskünstler Gabriel Loire und seinem Atelier in Chartres gestaltete Glasfassade, deren leuchtendes Blau den Besuchern ein intensives Lichterlebnis beschert.

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