„Ös liabn meine Gsellen …“

von Redaktion

Aus der Volksmusikpflege Überlieferte musikalische Bräuche zum Jahreswechsel für die Gegenwart

Theologen und Kirchenwissenschaftler werden gern kurz vor Weihnachten gefragt, wie es um den „Faktenkern“ der biblischen Erzählungen um die Geburt Jesu steht, die die Christen der Welt an Weihnachten feiern. Ist das Geburtsdatum belegt, der Geburtsort Bethlehem, der Stall mit Ochs und Esel, der Stern und die Besucher an der Krippe? Natürlich sagt die Wissenschaft „Nein“ im Faktencheck – und doch haben sich über Generationen und Jahrhunderte Bräuche und Erzählungen, Darstellungen und Lieder um dieses nicht genau belegbare Ereignis gebildet. Und das ist gut und sinnvoll, der Glaube soll auch in der Volksfrömmigkeit gelebt werden, wenngleich die Amtskirche in der Vergangenheit immer wieder Verbote erlassen hat.

„Wie der Prophet Balaam
geweissaget hat …“

So erging es auch den „Kirchensingern“ in unserer Heimatregion und im benachbarten Salzburger Land. Noch die aus München stammenden Volksliedsammler August Hartmann (1846 bis 1917) und Hyacinth Abele (1823 bis 1916) konnten um 1870 im Oberland, im Mangfall- und Inntal, im Chiemgau und Rupertiwinkel, in Salzburg und Tirol viele Gesänge dieser aussterbenden ländlichen Institution festhalten, die in den kleinen Kirchen mit ihren deutschen Liedertexten die theologischen Inhalte und die Erzählungen der Evangelisten für die einfachen Mitmenschen verständlich machten. Diese Form der Volksfrömmigkeit war in der Zeit der Aufklärung der kirchlichen Obrigkeit fremd und unverständlich: Die Liedtexte und die damit verbundenen gesungenen Dialoge und Szenen gerade zu Weihnachten waren eng ans Empfinden der Leute geknüpft und ganz lebendig – manchem Theologen viel zu lebendig und zu weit weg von der strengen Bibelauslegung.

Die Kirchensinger hatten ihre Texte oft in umfangreichen, alle Feiertage des Jahres beschreibenden Liedhandschriften aufnotiert. Mancher der alten „Singer“ hat seine Handschriften mit ins Grab genommen, als mit Beginn des 19. Jahrhunderts und der Säkularisation Verbote ihrer Lieder und Spiele erlassen wurden. Hartmann und Abele retteten durch ihre Sammlung zahlreiche Lieder der alten Kirchensinger vor dem Vergessen – einige davon hören wir in den Adventssingen und Weihnachtsgottesdiensten unserer Region in gegenwärtiger Form.

„Ös liabn meine Gsellen, gehts güatli dran! A Weilai so wollen wir singen an. Ein neues Jahr geht uns hereina.“

So beginnt ein Lied mit über 80 Strophen, das Hartmann und Abele vor allem in Otterfing bei Holzkirchen aufgezeichnet haben – in Varianten und kürzer auch in Prien, Willing bei Aibling und Ast im Mangfalltal, das heute zur Gemeinde Feldkirchen-Westerham gehört. Mit der damals neuen Eisenbahn sind die beiden Forscher um 1870 von München aus über Holzkirchen durchs Mangfalltal und über Rosenheim weiter Richtung Salzburg gefahren. An vielen Orten haben sie Gewährspersonen getroffen und ihre Lieder festgehalten.

„Im Morgenland geht es der Steren auf, da saßen die heilign drei König auf. Der erste wohl gegen den Aufgang der Sonn, der ander wohl gegen den Niedergang, der dritte wohl gegen die Mitternacht; sie reisen all drei dem Steren nach. Die heilgen drei König sie reisen.“

Die „Rohrdorfer Sänger“ haben dieses Lied ab den 1980er-Jahren wieder neu erklingen lassen. In der ursprünglichen Form geht es laut den Forschungen von Professor Dr. Kurt Huber (1893 bis 1943) wohl als Ansingelied für Neujahr und zum Sternsingen bis ins 16. Jahrhundert zurück.

Nach Weihnachten bis zum Dreikönigstag haben mit solchen Liedern erwachsene Männer von Haus zu Haus gesungen. Ärmere Leute und Kirchensinger haben als eine Art soziales Netz für ihr Singen Lebensmittel erhalten, damit sie gut durch den Winter kommen. In den alten Sammlungen unserer Heimatregion finden sich eine ganze Reihe solcher Brauchlieder. Seit einigen Jahren lassen wir diese Gesänge wieder aufleben, als Glückwünsche zum Neuen Jahr und beim Sternsingen.

„Auf Christus solln ma uns freua, Ein glücklichs neus Jahr geht hereina!“

So ziehen wir auch heuer am Montag, 29. Dezember durch manche Straßen im Bruckmühler Ortsteil Heufeldmühle und wünschen mit 20 verschiedenen überlieferten Gesängen und Dialogliedern wie die alten Kirchen- und Sternsinger ein gutes Neues Jahr 2026. Wir sind dabei immer um die zehn Erwachsene mit „orientalischen“ Gewändern, die an die Magier, die Sterndeuter der biblischen Erzählungen erinnern – in der Volksfrömmigkeit sind daraus die Heiligen Drei Könige geworden. Es ist ein wunderbares und strapaziöses Erlebnis für alle, die mitmachen.

„Ich lag in einer Nacht und schlief, mich deucht wie mich König David rief, dass ich bei ihm erscheine. Von heiligen drei Königen, da kommt ein neues Licht. Sie liegen zu Köln am Rheine.“

Mit diesem Gesang beginnt eine umfangreiche Szene, die als Dreikönigsspiel sowohl in Bayern, Franken und Kärnten überliefert ist. Am Dreikönigstag, dem 6. Januar, zogen erwachsene Sternsinger mit Gefolge durch die Orte und führten ihr Spiel an besonderen Plätzen auf. Zu diesen Gelegenheiten versammelten sich die Nachbarn und Anwohner und lauschten der Darbietung. Dabei wurde das Evangelium nach Matthäus zitiert, in dem die „Sterndeuter aus dem Osten“ und ihre Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe benannt werden.

In Bruckmühl lassen wir diese Tradition am Dreikönigstag wieder aufleben. Ab Mittag sind die „Singer“ mit ihrem Gefolge unterwegs und führen an verschiedenen Orten ihr Singspiel auf. Wer mitmachen will, ist herzlich willkommen. Wie in den vergangenen Jahren sind Stationen unter anderem in der Vagener Au, in Sonnenwiechs – aber auch in Thalham und an der Friedrich-Jahn-Straße, wo die Sternsinger der Pfarrei 2026 nicht hinkommen. Wenn Sie in Ihrer Nachbarschaft das Singspiel haben wollen, dann melden Sie sich bitte schnell beim „Förderverein Volksmusik Oberbayern“ (Bruckmühl, Pfarrweg 11, 08062/8078307, ernst.schusser@heimatpfleger.bayern). Die Orte und Tageszeiten werden im OVB und auf Plakaten bekannt gegeben. Ernst Schusser

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