Wasserburg – Ein Wirken über 50 Jahre ist aller Ehren wert: Werner Gartner, der Zweite Bürgermeister von Wasserburg, hielt die Lobrede für 50 Jahre Wasserburger Kammerorchester und ließ dabei die Jahre Revue passieren. Er wies auch auf den neuen jungen Leiter des Orchesters hin: Miguel Ercolino, der aus Venezuela stammt und seit 2015 in Wasserburg lebt, Leiter Kirchenmusik der evangelisch-lutherischen Kirchengemeine Wasserburgs ist und in der Musikakademie Bratsche unterrichtet. Er wusste schon Bescheid über die Tradition, dass am Ende des Weihnachtskonzertes, das heuer also gleichzeitig ein Jubiläumskonzert war, immer ein gemeinsam gesungenes Adventslied steht: „Tochter Zion“ war es heuer, was die den Rathaus fast zur Gänze füllenden Zuhörer kräftig mitsangen.
Miguel Ercolino leitet das Orchester ohne Dirigentenstab mit Sicherheit gebenden Gesten und sichtbarem Bewusstsein dessen, was er von der Musik will. Das übertrug sich hörbar auf die Musiker. Das Programm war vielfältig und abwechslungsreich, Ercolino gab zwischendurch nützliche Hinweise auf die Komponisten und die Werke.
Den temperamentvollen Beginn machten die „Sechs rumänischen Tänze“ von Béla Bartók. Die Musiker realisierten den rustikalen Charme dieser Volkstänze mit kraftvollem Strich, zeigten sich dazwischen ein bisschen zaghaft, glänzten dann aber mit Streicherschwelgen und stürmischem Temperament am Ende, wo man den Tanzboden der Dorfschenke vibrieren hörte.
Ein ganz anderes Temperament verlangt die „Pavane pour une Infante défunte“, also einen langsamen Schreittanz für eine verstorbene spanische Prinzessin, in der Fassung für Streicher von Jeff Manookian: Würde und Bedächtigkeit ist hier vonnöten. Gerade hier merkte man, wie Miguel Ercolino sowohl die sich lang hinziehende Melodie als auch den Orchesterklang formt. Die Streicher produzierten stellenweise, nach behutsamem Beginn, einen schwellenden Glanz.
Auch der Solo-Pianist hat einen Wasserburg-Bezug: Luis Carlos Juárez Salas stammt aus Mexiko, hat in Salzburg bei Klaus Kaufmann studiert, der ja der Gründer und langjährige Leiter des Wasserburger Kammerorchesters war, und unterrichtet ebenfalls an der Wasserburger Musikakademie. Nun ist das A-Dur-Konzert von Johann Sebastian Bach nicht unbedingt etwas, womit ein Pianist virtuos auftrumpfen könnte. Salas trumpfte eher mit strukturierter Klarheit und stetigem Fluss des Klavierparts auf. Ganz bewusst modellierte er im langsamen Satz, dem man an meisten anmerkt, dass dieses Konzert ursprünglich für ein bis heute unbekanntes Melodie-Instrument komponiert ist, die schier unendliche Melodie und artikulierte im heiter-quirligen und trillerdurchsetzten Finalsatz noch entschiedener. Für ihre immerwährenden Einwürfe saßen vor allem die Geiger immer wie sprungbereit an der Stuhlkante.
Die Celli konnten sich mit samtenem Klang hervortun im tief-ernsten und melancholischen Nocturn aus den „Vistes al Mar“, einer Folge von Meeresblicken des katalanischen Komponisten Eduard Toldrà (1895 bis 1962), die Bratschen und selig sich wiegenden Geigen in der 3. Suite aus „Antiche Danze ed Arie“ von Ottorino Respighi (1879 bis 1936). Da wechselten sich die Stimmgruppen hochlebendig einander ab, demonstrierten die Kunst des Pizzicato und trumpften am Ende mit großer Energie auf – auch wenn man merkte, dass diese Tänze aus der Renaissance so einfach sich nicht spielen, wie sie sich anhören.
Am interessantesten war die „Capriol Suite“ von Peter Warlock (1894 bis 1930), die ebenfalls von Renaissance-Tänzen inspiriert ist. Einmal wurde in forschem Drive gespielt, einmal im lebendigen Dreiertakt mit überraschenden Pizzicati und einmal wie ein langsamer Walzer in fließendem Legato mit plötzlich merkwürdig fremden Harmonien, durch die die Streicher ohne Kontrabass tapfer mäanderten. Am Schluss verblüffte ein rhythmisch scharfer Schwerttanz, der als Streicherklang so bedrohlich wirkte wie die Filmmusik zum grauenerregenden Hitchcock-Thriller „Psycho“: insgesamt ein beliebtes Stück für Kammerorchester und ein Aushängeschild für die Güte des Wasserburger Kammerorchesters – was die Zuhörer mit herzlichstem Beifall quittierten.