Das Schöne am Fußball ist ja, dass sich manche Dinge einfach nicht erklären lassen. Tobias Strobl, Trainer des Fußball-Regionalligisten 1860 Rosenheim, versuchte es trotzdem. „Auch wenn es jetzt irgendwie naiv klingen mag“, begann der junge Coach (30) sein Statement auf der Pressekonferenz, „aber was wir heute in den ersten 15 Minuten gespielt haben, war mit Abstand das Beste, seit ich hier im Amt bin.“ Es folgte eine kurze Pause. Dann fuhr Strobl fort: „Leider haben wir aber das Wichtigste vergessen: ein Tor zu schießen.“ Diesen Job erledigten am Samstag vor 862 Zuschauern nur die Spieler des SV Schalding. Markus Gallmaier, Fabian Schnabel, Christian Seidel – drei Stürmer, drei Treffer, 3:0. Oder um es mit den analytischen Worten Strobls auszudrücken: „Es gibt bei Schalding so viele Offensivspieler, die echt coole Qualitäten haben. Da muss man einfach den Hut ziehen. Im letzten Drittel war der Gegner heute besser, daher war der Sieg am Ende auch verdient.“
„Rosenheim hat uns in den ersten Minuten an die Wand gespielt.“
Stefan Köck
Dass Schalding mit enormer Offensivpower ausgestattet ist, war den Rosenheimern freilich bekannt. Ebenso die Tatsache, dass es kaum eine Mannschaft in dieser Regionalliga gibt, die bei Ballgewinn schneller umschaltet als der SVS. „Wir wussten“, sagte Strobl, „dass es uns erwischen wird, wenn wir den Ball verlieren und sie dann auf ihre schnellen Leute spielen.“ Doch der 1860-Coach ging das Risiko ein, er setzte auf extrem hohes Pressing − und beinahe wäre seine Offensivtaktik auch aufgegangen. „In den ersten Minuten hat uns Rosenheim an die Wand gespielt. So etwas habe ich selten erlebt, das war eine brutale Leistung“, rekonstruiert Schaldings Spielertrainer Stefan Köck die Anfangsphase. Vier Topchancen konnten die Gäste dabei kreieren, doch den Weg ins Tor fand der Ball nicht. Vor allem, weil Heim-Torwart Markus Schöller alles hielt, was auf seinen Kasten geflogen kam. „Überragend“, nannte Köck die Leistung seines Keepers. „Er hat uns heute im Spiel gehalten.“
Doch auch Köck selbst gab der Partie eine entscheidende Wendung. Um mehr Zugriff aufs Spiel zu erhalten, stellte der Trainer früh das System um, aus 3-5-2 wurde ein 4-1-4-1, die Räume sollten dadurch noch enger werden. Tatsächlich fand sich Schalding in der Folge besser zurecht, wobei den Niederbayern natürlich auch ihre derzeit gnadenlose Effektivität zugute kam. Mit der ersten Chance überhaupt stellte Markus Gallmaier nach 17 Minuten auf 1:0, wenig später bediente der Stürmer nach einem herrlichen, von Onur Alagöz perfekt eingeleiteten Konter seinen Kollegen Fabian Schnabel, der ebenso eiskalt wie Gallmaier den Ball im langen Eck versenkte (25.).
2:0 – Rosenheim war beeindruckt. Und sollte sich von diesem Schock nicht mehr wirklich erholen. Freilich versuchte der Gast bis zum Schluss alles, doch Schalding zeigte nun seine zweite große Qualität und verteidigte mit einer derart disziplinierten und intensiven Art, dass es kaum mehr ein Durchkommen gab. Und wenn es doch einmal gefährlich wurde, dann war Keeper Schöller zur Stelle. So ging dieser nasskalte Novembertag mit einem am Ende verdienten Erfolg für Schalding zu Ende, dem Joker Chris Seidl die Krone aufsetzte. Kurz zuvor eingewechselt, versenkte der Angreifer eine Tiefenbrunner-Flanke volley zum 3:0 im Netz (93.).
In der anschließenden Pressekonferenz nickte Köck zustimmend, als sein Gegenüber Tobias Strobl hinterher von einer „trügerischen Situation in der Liga“ sprach. „Ich denke“, so der TSV-Coach, „dieses Mal wird man 43, 44, vielleicht sogar 45 Punkte brauchen für den Klassenerhalt. Diese wollen wir so schnell wie möglich erreichen.“ Schalding ist da auf dem besten Weg und hat derzeit einen Lauf. Und, auch das stellte Köck klar, „in manchen Situationen haben wir auch die nötige Portion Glück, die du vielleicht nicht hast, wenn du hinten drinnen stehst.“ Anders ausgedrückt: Schalding will gar nicht zu viel nachdenken über seinen Lauf. Im Fußball kann man ohnehin nicht alle Dinge erklären …
TSV 1860 Rosenheim: Stockenreiter, Heiß, Lenz, Köhler (88. Krüger), Räuber, Maier, Höhensteiger (69. Denz), Krätschmer, Mayerl, Linner (56. Einsiedler), Majdancevic.
Schiedsrichter: Simon Marx (Großwelzheim) – Zuschauer: 862
Tore: 1:0 Markus Gallmaier (17.), 2:0 Fabian Schnabel (25.), 3:0 Christian Seidl (90. + 3). lak