Sie hat den Bogen raus

von Redaktion

Auf einen Kaffee mit Bogenschützin Katharina Bauer – Zwischen Sport und Arbeit

Rosenheim – Katharina Bauer hat den Bogen raus. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die 23-Jährige ist Bogenschützin. Seit 14 Jahren. In einem Rosenheimer Café bestellt sie einen Latte Macchiato. Ihre dicke Winterjacke hängt über einem Stuhl. Das blonde Haar fällt ihr über die linke Schulter.

2005 entdeckte die sympathische Sportlerin ihre Liebe zum Bogenschießen. „Am Anfang ging es nur um den Spaß“, erinnert sich Bauer, die außerdem im Tanz- und Leichtathletikverein aktiv war. Schnell wird der 23-Jährigen klar, dass sie sich für eine Sportart entscheiden muss – Bogenschießen. Zu Beginn trainiert sie zweimal wöchentlich. Sie nimmt an Vereinsmeisterschaften teil und feiert ihren ersten großen Erfolg bei der Gaumeisterschaft. Über die Jahre trainiert sie immer mehr. Aus zweimal wöchentlich werden viermal. 2010 schafft sie den Sprung in die Nationalmannschaft. Zwei Jahre später gewinnt sie die Europameisterschaft. 2015 wird sie Vize-Europameisterin, 2016 besiegt sie die Olympiazweite von Rio, Lisa Unruh, bei der deutschen Meisterschaft. „Ich hätte niemals mit diesen Erfolgen gerechnet“, sagt sie und lacht.

Die Erfolge sind das Ergebnis ihrer harten Arbeit. Sechsmal die Woche steht sie mittlerweile am Schießstand. 43000 Pfeile schießt sie im Jahr, etwa 2000 in der Woche. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Kraft- und Ausdauertraining. Während der Krafteinheiten arbeitet sie vor allem an ihrer Rumpfkraft und Körperspannung: „Je ruhiger ich stehe, umso ruhiger halte ich auch den Bogen“, erklärt die 23-Jährige und nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee.

Noch wichtiger sei aber die mentale Stärke. „Ich arbeite eng mit einem Psychologen zusammen“, sagt sie. Dieser hilft ihr, Wettkampfsituationen zu visualisieren und gibt Tipps gegen die Aufregung.

Training, Wettkämpfe und Termine mit dem Psychologen – das Bogenschießen nimmt viel Zeit in Anspruch. Und dabei ist die 23-Jährige auch voll berufstätig – bei der DAK-Gesundheit. „Mein Arbeitgeber unterstützt mich wahnsinnig gut“, schwärmt sie. Regelmäßig wird sie für Wettkämpfe und Trainingslager freigestellt. Wie vor einigen Wochen, als sie in Südafrika und der Türkei unterwegs war.

Der Job bei der DAK-Gesundheit hilft Bauer ihre Sportart zu finanzieren. „Bogenschießen ist unheimlich teuer“, bestätigt sie. Während Anfänger einen einfachen Holzbogen kostengünstig erwerben können, zahlt Bauer für ihr Sportgerät 3000 Euro. Sie hat zwei. „Mein Bogen ist maßgeschneidert und direkt auf mich abgestimmt“, sagt sie. Hinzu kommen die Pfeile. Ein Pfeil kostet um die 40 Euro. Gebraucht werden in einer Saison circa 50. „Die Pfeile bekommen wir teilweise vom Verband, ansonsten kaufe ich aber alles selber“, so Bauer. Ein teurer Spaß, der ohne ein Einkommen unmöglich gewesen wäre. Dieses Problem bemerkt auch ihr Bekannter Clemens Zanetti und begibt sich für die 23-Jährige auf Sponsorensuche – mit Erfolg. „Wir haben aktiv gesucht und bis jetzt drei Sponsoren gefunden“, zeigt sich Bauer erleichtert. Weitere sollen folgen.

Teuer und aufwendig – trotzdem kann sich die 23-Jährige keine schönere Sportart vorstellen. Das Besondere: „Bogenschießen ist ein Wettkampf gegen sich selbst“, sagt sie. Das Schwerste sei es, den Bewegungsablauf zu lernen. „Beim Bogenschießen kommt es nicht aufs Treffen an, sondern auf den Bewegungsablauf. Wenn der stimmt, dann trifft man auch“, erklärt sie.

Schritt für Schritt arbeitet sich die Raublingerin nach oben. Momentan schießt sie für den FSG Tacherting in der Ersten Bundesliga und bereitet sich auf die deutsche Meisterschaft vor. Ihr großes Ziel aber ist Olympia 2020. „Bei Olympia hängt viel von meiner Tagesform ab“, ist sich die 23-Jährige sicher. Sie weiß aber auch, dass es schwierig wird. „Die Bogenschützen aus anderen Nationen sind meist Vollprofis und haben dadurch viel mehr Zeit zum Trainieren“, sagt sie. Vollprofi zu sein kam für Bauer übrigens nie in Frage. „Klar könnte ich durch mehr Training besser sein, aber ich wollte einfach nicht von meinem Sport abhängig sein“, sagt sie.

Denn auch ein Leben ohne Sport kam für die 23-Jährige – wenn auch nur kurz – in Frage. „Ich hatte einen wirklichen Tiefpunkt“, erinnert sie sich. Training, Wettkämpfe und nebenbei die Arbeit wurden zu viel für die Sportlerin. „Ich habe viel geweint und wusste nicht, wie es weitergehen soll.“ Ein halbes Jahr gibt sie ihren geliebten Sport auf. Sie fährt in den Urlaub, unternimmt Ausflüge mit Freunden und fokussiert sich auf ihren Job. Doch das Bogenschießen fehlt ihr. „Ich war einfach nicht mehr glücklich“, sagt sie. Ihr Entschluss steht fest: Der Sport soll wieder ein fester Bestandteil ihres Lebens werden.

Unterstützung bekommt sie nicht nur von ihrer Arbeit, sondern auch von Familie und Freunden. Ihr Trainingsplan wird auf ihren Arbeitsalltag abgestimmt. Langsam arbeitet sie sich zurück in Wettkampfform. Um halb sechs geht es in den Kraftraum, von dort in die Arbeit und weiter zum Schießtraining. „Ich bin glücklich“, sagt sie und strahlt. Ein letzter Schluck vom Kaffee. Kurz denkt sie nach. „Ich glaube wieder an mich und meinen Traum.“ 2020 soll sich der Traum von Olympia für die 23-Jährige erfüllen.

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