Neubeuern – „Wer seine Ski nicht hergerichtet hat, kann gleich wieder heimfahren!“ Der Satz von Adi Klier beim alpinen Inngautraining am Sudelfeld hat Eindruck hinterlassen. So sehr, dass auch heute, viele Jahre später, noch der erste Blick auf den Belag der Ski geht, bevor die Bretter überhaupt ins Auto gepackt werden. In Sachen Disziplin und Ausrüstung samt deren Pflege verstand Klier keinen Spaß, auch wenn er schon immer ein sehr großes Herz für alle Sportler und speziell für den Nachwuchs hatte.
Mit Schandl-Ski der
Star am Wendelstein
Aufgewachsen mit drei Schwestern in einer nach eigener Aussage „völlig unsportlichen“ Familie in Brannenburg, brannte in Adi Klier schon als Kind ein außergewöhnliches Feuer für große sportliche Herausforderungen. So rannte er schon als Zehnjähriger im Winter jeden Sonntag um fünf Uhr morgens zu Fuß auf den Wendelstein. Skifahren war seine große Leidenschaft und schnell sprach sich herum, dass da im Inntal ein Talent heranwächst. Ein Gönner schenkte ihm, dem mittellosen Sportautodidakten, einen Schandl-Ski, damals das Nonplusultra. „Zwei Meter lang und ich war relativ klein, damit war ich der Star am Wendelstein“, erzählt Klier. Erste Rennerfolge kamen.
Mit 14 Jahren begann er eine Bäckerlehre in Rosenheim. „Das war einerseits gut, weil Ausbildungsplätze damals rar und ich immer sehr viel Hunger hatte, andererseits durfte ich aber während der Ausbildung nicht mehr Ski fahren.“ Klier wechselte deshalb nach der Lehre in eine Bäckerei nach Rottach-Egern, weil damals im Oberland die besten Skifahrer trainierten. Er fuhr konstant gute Ergebnisse auf nationaler Ebene ein, holte sich in Innsbruck am Patscherkofel bei der Ausscheidung zu den Olympischen Spielen 1960 Rang zwölf. Er war gut, aber nie gut genug für die erste Garde des damals mit Willi Bogner & Co. so starken Nationalteams. „Das wurmt mich schon noch“, sagt Klier, der mit seinem damaligen sportlichen Vorbild, Toni Sailer, später gut befreundet war. „Ich war oft verletzt.“
Zehn Jahre im Weltcup als Servicemann
Auch, wenn er es nicht in die nationale Spitze im alpinen Rennsport geschafft hat, beruflich war er später zehn Jahre als Servicemann im Weltcup weltweit unterwegs. „Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, weil ich mit den weltbesten Skifahrern zu tun hatte und mit denen auch zwischendurch immer wieder Ski gefahren bin. Aber es war auch ein Knochenjob mit sehr großer Verantwortung. Die Bindungssysteme waren damals technisch weit weniger ausgereift und die Verantwortung über die Gesundheit der Sportler lag so zu großen Teilen in meinen Händen.“ Das hat ihn, der nervlich, wie er sagt, noch nie der Stärkste war, schon sehr belastet. Auch der anstrengende Job nagte an ihm. Er begann als Ausgleich zu laufen. Intensiv und diszipliniert, wie alles, was er anfängt.
Auch später, nach einem kurzen Ausflug in den Motorsport, wo er auf Anhieb Bergrennen gewann und als bester Privatfahrer sogar Fünfter bei der deutschen Meisterschaft wurde, lief er weiter. Er wurde einer der besten europäischen Bergläufer in seiner Altersklasse und lief mit 43 Jahren auf der Straße eine Marathon-zeit von 2:30 Stunden. „Ich war schon ziemlich narrisch. Manchmal bin ich in der Vorbereitungsphase auf ein Rennen am Morgen und am Abend jeweils 30 Kilometer gelaufen, dazwischen hab‘ ich den ganzen Tag in meiner Skiwerkstatt in Neubeuern gearbeitet. Aber ich hab‘ mich nie kaputt gefühlt.“
„Ich hab immer alles nach Gefühl gemacht“
Irgendwann hat ihn die viele Lauferei dann doch in der Leiste gezwickt. „Meine Frau hat mir damals ein Rennradl gekauft. Dann war ich da genauso schlimm wie beim Laufen und bin alle berühmten Radmarathons mitgefahren.“ Ein Sportverrückter, der im Ziel oft viele Größen hinter sich ließ und meist selbst von seiner Leistung überrascht war. Sportwissenschaftliche Trainings- oder Ernährungspläne gab es für Adi Klier nie. „Ich hab‘ immer alles nach Gefühl gemacht, hätte mir aber auch nicht viel sagen lassen.“ Rückblickend weiß er, dass ihm weniger Wettkämpfe und öfter mal Pausen zur Regeneration gutgetan hätten. „Ein Trainer eines anderen Nationalkaders hat mal zu mir gesagt: Adi, du tust zu viel. Da hab‘ ich mir gedacht, was ist denn das für ein eigenartiger Trainer und bin nach einem Marathon gleich am nächsten Tag wieder Vollgas gelaufen.“
Mit Vollgas kann der immer noch sehr drahtige Sportler heute, nach einer schweren verschleppten Lungenentzündung vor fünf Jahren, nicht mehr durchs Leben. Zumindest nicht so, wie er sich das vorstellt. „Ab und zu zwei, drei Stunden Rennradln, jeden Tag Gymnastik und im Winter bissl Ski fahren, wenn Zeit bleibt.“ Im Winter steht er nämlich nach wie vor zwölf Stunden in seiner Skiwerkstatt. Warum er sich das noch antut mit 80? „Wenn Arbeit da ist, wird das gemacht“, sagt er sehr bestimmt. „Da hätt‘ ich sonst keine Ruhe und könnt nicht schlafen. Das habe ich so als Bäcker gelernt und das kenn ich nicht anders.“ Da könn-te sich sicher so mancher eine Scheibe abschneiden.