„Tour d’Honeur – so wird die letzte Etappe der Tour de France bezeichnet. Übersetzt bedeutet das so viel wie „Tour der Ehre“, weil dort nicht mehr attackiert wird, damit der Gewinner des Gelben Trikots seinen Triumph auf den letzten Kilometern genießen kann. Die Schlussetappe der Tour ist zusammen mit Paris-Roubaix mein Lieblingsrennen. Auch wenn ich heuer bereits meine elfte Tour gefahren bin: Für mich ist es jedes Jahr wieder ein unbeschreibliches Gefühl, wenn ich den Champs-Elysees entlang rolle und die unzähligen Radsport-Fans am Straßenrand sehe. Der schönste Moment ist aber, wenn ich nach der Zieleinfahrt nach vier Wochen wieder zum ersten Mal meine Frau und meine beiden Töchter in die Arme schließen kann – Gänsehaut pur.
Doch bis dorthin war es ein harter Weg – vor allem auf den beiden Etappen am Freitag und Samstag. Wie bereits erwähnt, ging ich heuer zum elften Mal bei der Tour an den Start, aber so einen kuriosen Renn-Abbruch wie am Freitag auf der 19. Etappe von Saint-Jean-de-Maurienne nach Tignes habe ich noch nie erlebt. Zu Beginn der Etappe waren viele Fahrer besorgt, dass sie es wegen des hohen Tempos nicht innerhalb des Zeitlimits ins Ziel schaffen. Ich persönlich hatte aber noch recht gute Beine, als ich den Gipfel des Col de l’Iseran auf 2770 Meten erreicht hatte – und plötzlich kam über Funk die Nachricht: Das Rennen ist wegen Hagel abgesagt! Wegen Hagel? Ich konnte es zunächst nicht fassen, weil über mir die Sonne schien und der Himmel blau war. Als ich später aber die Bilder von den überfluteten Straßen sah, war mir klar: Es war die einzig richtige Entscheidung, das Rennen abzubrechen. Und dann war am Samstag die entscheidende Etappe von Albertville nach Val Thorens auch noch wegen eines Erdrutsches von ursprünglich 130 Kilometern auf nur noch 59 Kilometern reduziert. Auch als Frankreich-Veteran lernt man noch neue Tour-Seiten kennen.
Aus sportlicher Sicht war die Tour dieses Jahr für unsere Mannschaft ein voller Erfolg. Wir haben es sogar bis nach Frankreich gespürt, dass Emanuel Buchmann mit seinen starken Leistungen im Gesamt-Klassement wieder eine Radsport-Euphorie entfacht hat: Es waren viele deutsche Fans an der Strecke und das Medien-Interesse war gewaltig. Es ist für unseren Sport hierzulande einfach wichtig, dass es wieder einen deutschen Fahrer gibt, der bei der Tour im Gesamtklassement beim Kampf um die Top-Plätze mitmischen kann. Das hat Emu geschafft und das freut die gesamte Bora-hansgrohe-Mannschaft natürlich narrisch.
Mein Höhepunkt: Sagans Etappensieg
Für mich persönlich war der Höhepunkt aber der Etappensieg von Peter Sagan auf der fünften Etappe in Colmar. Klar hat Peter schon zahlreiche Tour-Etappen gewonnen, aber der Moment, wenn er als Erster über die Ziellinie sprintet und du als Helfer entscheidenden Anteil daran hattest, ist jedes Mal wieder ein tolles Gefühl. Und wenn wir gerade schon bei meinem Spezl Peter sind: Jetzt hat er zum siebten Mal das Grüne Trikot als Führender der Punkte-Wertung gewonnen und ist damit alleiniger Rekordhalter – eine einmalige sportliche Leistung. Daran hat aber das gesamte Team einen enormen Anteil! Egal ob Sponsoren, Teamkollegen, Trainer, Physios, Mechaniker, Köche und alle anderen Staff-Mitglieder – ohne dem Team hinter dem Team wäre eine so erfolgreiche Zeit bei der Tour nicht möglich gewesen.