Schiris: Schlusspfiff wegen Corona?

von Redaktion

Personen im Alter von über 50 Jahren zählen zur Risikogruppe des Coronavirus. Dazu gehören viele in der Region bekannte Schiedsrichter aus den heimischen Ligen. Die erfahrenen Unparteiischen sind ein fester Bestandteil des Amateurfußballs.

Rosenheim/Mühldorf – Viele Schiedsrichter sind aus den Fußballkreisen gar nicht mehr wegzudenken. Vor allem für die Älteren ist das Coronavirus eine große Gefahr. Ob die erfahrenen Schiedsrichter ihrer Leidenschaft trotz der großen Risiken weiterhin nachgehen werden, ist für den regionalen Amateurfußball von entscheidender Bedeutung. Die OVB-Sportredaktion hat sich mit einigen Verantwortlichen aus dem Fußball-Kreis Inn/Salzach über diese schwierige Situation unterhalten.

„Wir sind ziemlich zuversichtlich, auch wenn es zurzeit stressig ist. Die Vorbereitungsspiele sind quasi von heute auf morgen erlaubt worden und es gibt häufig sehr kurzfristige Absagen“, beschreibt Josef Kurzmeier, Obmann der Schiedsrichtergruppe Chiem, die aktuelle Lage. „Eigentlich ist aktuell die Vorgabe, dass kein Schiedsrichtergespann, sondern nur einer ein Spiel leiten darf. Die Schiedsrichter brauchen aber genau wie die Spieler eine Vorbereitung, also habe ich bei den Vereinen nachgefragt, ob wir Linienrichter mitnehmen dürfen. Alle Vereine haben kooperiert, das war eine super Sache“, so Kurzmeier, der auch erzählt, dass man beim Neulingslehrgang 19 neue Schiris dazubekommen habe. „Es läuft gut“, bilanziert der oberste Chiem-Schiri.

„Wir hatten Gott sei Dank keinen Corona-Fall in der Schiedsrichter-Gruppe. Ein paar Schiedsrichter haben mir Bescheid gegeben, dass sie aufgrund des Risikos in der nächsten Zeit erst einmal keine Spiele pfeifen wollen, aber das ist absolut verständlich“, fügt Martin Bruckmayer, Obmann der Schiedsrichtergruppe Inn, hinzu. Nicht ganz so makellos läuft es in der Gruppe Ruperti. „Bei einigen merkt man schon, dass der Elan oder auch die Zuverlässigkeit zurückgegangen ist. Im Verhältnis der Spiele, die unsere Gruppe übernehmen muss, und der zur Verfügung stehenden Schiedsrichter sind wir eigentlich ganz gut aufgestellt. Daher ist es sehr schade, wenn wir jetzt Schiedsrichter verlieren“, sagt Ruperti-Obmann Johann Wichtlhuber.

Während der fußballfreien Zeit haben viele Online-Lehrgänge stattgefunden. „Alles was auf dem Programm gestanden ist, was ja ohnehin so gut wie gar nichts war, wurde online geregelt“, so Kurzmeier. „Die Online-Seminare waren vor allem von den Jüngeren gut ‚besucht‘. Es mussten ja auch die neuen Regeln besprochen werden“, erklärt Bruckmayer.

Für die Schiedsrichtergruppen ist es von Bedeutung, ob ihnen jetzt Unparteiische wegfallen. Es geht vor allem um die älteren Schiedsrichter, die zur Risikogruppe des Coronavirus zählen. Doppelt bitter ist es für die Schiedsrichtergruppen, da diese Referees die meiste Erfahrung mit sich bringen. „Bis jetzt hat mir genau einer abgesagt. Natürlich können das noch mehr werden, da ich noch nicht mit allen gesprochen habe. Trotzdem sind wir zuversichtlich, auch wenn wir im Ganzen noch zu wenig Schiedsrichter sind. Das war aber auch vor Corona so“, meint Kurzmeier. Inn-Obmann Bruckmayer zeigt sich in dieser Hinsicht sehr positiv: „Bis jetzt hat mir noch keiner fest abgesagt. Natürlich kann da noch jemand kommen, aber bisher sieht es gut aus.“ Ruperti-Chef Wichtlhuber hingegen hat bisher schon ein paar Absagen erhalten. „Ja, ein paar haben mir schon abgesagt. Das waren aber nicht unbedingt die älteren Schiedsrichter. Dabei hat es sich eher um ‚ganz normale‘ Absagen gehandelt, und nicht aufgrund des Virus.“

Aktuell weiß keiner, wie die nahe Zukunft im Amateurfußball aussehen wird. Der Re-Start-Termin wurde zunächst auf den 19. September und nun wohl sogar noch weiter nach hinten verschoben. In der Ungewissheit ist es für die Schiedsrichtergruppen auch nicht leicht, sich vorzubereiten. „Keiner weiß wirklich, was Sache ist. Wir haben das aber nicht in der Hand. Es wird sich zeigen, ob der Ligabetrieb und der Ligapokal stattfinden können und, wenn ja, was mit den Zuschauern ist“, sagt Bruckmayer. Chiem-Obmann Kurzmeier will sich bestmöglich auf den geplanten Spielbetrieb vorbereiten. „Da die Saison weitergespielt wird, verbleiben die Schiedsrichter in ihren Spielklassen – daher fällt organisatorische Arbeit weg. Wir sind zuversichtlich und freuen uns, wenn es wieder losgeht. Die Schiris sind genauso heiß auf den Re-Start wie die Spieler. Ansonsten ist es für mich wichtig, das Kameradschaftsgefühl wieder aufzufrischen.“ Ähnlich sieht es auch Wichtlhuber: „Wir bereiten uns auf den Wiederbeginn der Ligen wie im Normalfall auf eine neue Saison vor. Wie werden Lehrabende abhalten, zur Not auch online. Mehr können wir nicht machen. Ob dann auch gespielt wird, wissen wir nicht und darüber können wir auch nicht entscheiden.“

Schiedsrichter seit 25 Jahren – Hans Rappolder pfeift weiterhin

Johann Rappolder ist seit über 25 Jahren als Schiedsrichter tätig. Trotz der Risiken aufgrund des Coronavirus wird er auch weiterhin mit der Pfeife im Mund auf den Fußballplätzen in der Region zu sehen sein. Der 64-Jährige ist seit 1995 als Schiedsrichter für den SV Ramerberg aktiv. Die OVB-Sportredaktion hat sich mit ihm darüber unterhalten, wie die fußballfreie Zeit war und wie es für ihn weitergeht.

Wie war die lange spielfreie Zeit für Sie?

Es war eine totale Umstellung für mich. Ich bin seit langer Zeit Schiedsrichter, war davor Spieler und auch schon Trainer – der Fußball gehört für mich einfach dazu. Ich bin viel Fahrrad gefahren und war auch laufen, es war sehr ungewohnt für mich.

Was haben Sie am meisten vermisst?

Ganz klar den Bekanntenkreis. Alles lief nur noch über den Computer, mir ging der persönliche Kontakt unglaublich ab.

Hat die Corona-Zeit für Sie etwas verändert?

Nicht wirklich. Mir ist aufgefallen, wie sehr man ein Hobby, in meinem Fall Fußball, doch vermissen kann. Ich habe immer gehofft: Hoffentlich dauert das alles nicht noch länger!

Haben Sie wegen der Ansteckungsgefahr Angst zu pfeifen?

Nein. Meiner Meinung nach kann es gut funktionieren, wenn sich jeder an die Vorschriften hält. Als Schiedsrichter hat man eine gewisse Vorbildfunktion, daher muss ich mich doppelt dran halten. Außerdem könnte ich mir das Virus ja überall einfangen, daher sehe ich beim Pfeifen kein größeres Risiko als beispielsweise im Supermarkt.

Was hält Sie immer noch dabei?

Die ganzen Leute. Am Wochenende auf dem Fußballplatz trifft man so viele Spezln. Es ist die Kameradschaft und meine Leidenschaft gegenüber dem Sport.

Wäre es für Sie ohne Zuschauer angenehmer?

Die Zuschauer gehören einfach dazu. Man sieht es ja auch im Fernsehen: Die Fans gehen einfach ab. Auch wenn die Zuschauer manchmal etwas gegen den Schiri haben (lacht), so brauchen wir sie. Ich konzentriere mich auf mich und das Spiel und ignoriere die Rufe von draußen. Ich unterhalte mich aber oft nach dem Spiel mit den Zuschauern, falls die sagen, dass sie eine Entscheidung anders gesehen haben. Ich weiß ja, dass es keinen perfekten Schiedsrichter gibt und ich ab und zu etwas falsch sehe. Die Gesellschaft bei und nach den Spielen darf nicht fehlen. Die Fans machen den Fußball zu dem, was er ist.Interview: Leon Simeth

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