Rosenheim – „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“ – diesen inzwischen von der Geschichte widerlegten Spruch Erich Honeckers hätte man diese Woche auf die Starbulls ummünzen können, wenn man ‚Sozialismus‘ durch ‚Starbulls‘ und ‚Ochs und Esel‘ durch ‚Regensburg und Peiting‘ ersetzt hätte. Und möglicherweise wäre der Spruch nicht widerlegt worden. Aber: Regensburg wollte nicht und Peiting durfte nicht, wodurch sich die Starbulls über Neujahr auf dem zweiten Tabellenplatz ausruhen können.
Wobei: Dem Punkteschnitt pro Partie nach sind sie derzeit ebenso wenig Zweiter, wie sie während ihrer Quarantäne-Phase Fünfter, Sechster oder Siebter waren. Denn seit dem Sieg in Landsberg im siebten Spiel stehen sie in der „echten“ Tabelle unverrückbar auf Rang drei, was sich im Falle eines Sieges in Regensburg geändert hätte.
Vor der neuerlichen Kurzpause haben Sicinskis Jungs allerdings ihren Lauf, diesmal gegen zwei bayerische Traditionsgegner, souverän fortgesetzt. Vor dem kräfteschonenden Schlussdrittel in Garmisch hatten sie Riessersee mit 5:0 nach 40 Minuten geradezu deklassiert, eine absolute Ausnahme gegenüber den davor stets engen und dramatischen Duellen gegen den SCR. Und gegen Füssen konnte man zwar den 9:0-Triumph aus der Vorsaison nicht wiederholen, aber trotz der frühen Füssener Führung und des zwischenzeitlichen Ausgleichs war der 5:2-Erfolg nie so richtig gefährdet.
Überhaupt ist es derzeit relativ unerheblich, ob die Starbulls auf eigenem Eis das erste Tor schießen oder der Gegner. Dreimal hieß es zu Hause 0:1, stets aber gewannen Heidenreich & Co. noch das Spiel (gegen Riessersee allerdings erst im Penalty-Schießen). Und dabei schaffen sie es meist schon bis zum ersten Pausenpfiff, das Match zu drehen. In den letzten neun Begegnungen lagen sie nach 20 Minuten kein einziges Mal zurück; sechsmal führten sie, dreimal stand es remis.
Auswärts ist ein 1:0 des Gegners allerdings fatal. In Regensburg und Memmingen schossen die Gastgeber den ersten Treffer, Folge: die bisher einzigen Niederlagen in regulärer Spielzeit. Das Rezept dagegen: Auch auswärts gleich in Führung gehen! Sechsmal führten die Starbulls in fremder Halle 1:0, jedes Mal gab es Punkte: Fünfmal den vollen Dreier, in Höchstadt einen Punkt.
Gegen Füssen drehte man das Spiel durch einen Doppelschlag binnen 70 Sekunden kurz vor Ende des Anfangsdrittels. Und dieses Nachsetzen scheint sich heuer zu einer Rosenheimer Spezialität zu entwickeln. In den ersten 15 Partien gelang bereits siebenmal ein solcher Doppelpack in weniger als 90 Sekunden, drei davon sogar innerhalb einer Minute!
Der Sieg gegen Füssen hätte eigentlich nur in Gefahr geraten können, wenn die Starbulls zu oft auf die Strafbank gewandert wären, denn bisher nutzten die Allgäuer jedes dritte Powerplay auch zu einem Treffer, die mit Abstand beste Quote beider Oberliga-Gruppen. Dass die Allgäuer diesmal nur ein einziges Mal (erfolglos) in den Genuss einer Überzahl kamen, die Starbulls dagegen siebenmal, lag aus ihrer Sicht vielleicht an den Referees, aber die Disziplin auf dem Eis ist für Draxinger & Co. heuer eine der Erfolgskomponenten. Nur 6,8 Strafminuten pro Begegnung, also drei bis vier kleine Strafen, und keine einzige Disziplinar- oder Spieldauerstrafe stehen bisher zu Buche. Und unter den Top 30 der „Bad Boys“ findet man keinen einzigen Rosenheimer.
Eine weitere wesentliche Erfolgskomponente sind heuer die Jungs aus der DNL. Obwohl seit einigen Jahren in der Liga nur noch zweitklassig, fügte sich mehr als ein halbes Dutzend (nicht nur als Lückenfüller) fast nahtlos ins durch Verletzungen ausgedünnte Line-Up ein, sodass Coach Sicinski meist mit zahlenmäßig vollem Kader ins Spiel gehen kann. Nicht weniger als 16 verschiedene Spieler trafen bereits mindestens einmal ins Tor, sogar 24 weisen mindestens einen Scorerpunkt auf.
Angeführt werden sie von einem halben Dutzend „Leitwölfen“, einige davon eigentlich noch nicht unbedingt im Leitwolfalter, die in bewundernswerter Regelmäßigkeit scoren. Da ist zum Beispiel Curtis Leinweber (seit 14 Begegnungen ununterbrochen im Scorerprotokoll), Kyle Gibbons (fünf Spiele am Stück mindestens ein Tor); Dominik Daxlberger scorte in allen sieben Partien seit seiner Rückkehr von der Verletztenliste, Tobias Meier und Simon Heidenreich in sechs der letzten sieben. Und Tobias Draxinger, die ersten elf Spiele ohne Scorerpunkt, schoss in den letzten vier Matches zwei Tore und bereitete drei weitere vor.