Wasserburg – Nachdem Robin Ungerath im Sommer 2017 mit der Schule fertig geworden ist, hat es ihn erst einmal ein Jahr nach Australien gezogen. „Ich habe mir schon immer in den Kopf gesetzt, nach der Schule ins Ausland zu gehen, da ich es liebe, neue Erfahrungen zu machen“, erklärt der Bad Endorfer. „Ich habe von Bekannten viel Gutes über Australien gehört und den Gedanken cool gefunden, so weit von Deutschland weg zu sein. Zudem ist es ein englischsprachiges Land“, fügt er hinzu.
In Sydney hat er einen Anruf von Kevin Klammer, dem Wasserburger Abteilungsleiter, bekommen. Dieses Telefonat hat Ungeraths Wechsel vom damaligen Kreisligisten TSV Bad Endorf zu den Wasserburger Löwen eingeleitet. Der Unterschied von drei Spielklassen, der kuriose Außenbandriss und das mangelhafte Fitnesslevel – der damals 19-Jährige stand vor einer großen Herausforderung. Diese hat er aber gemeistert und sich einen festen Platz in der Stammformation der Landesliga- und auch Bayernligamannschaft vom TSV Wasserburg erarbeitet.
In der Jugend spielte Ungerath hauptsächlich bei seinem Heimatverein TSV Bad Endorf. Einen kleinen Abstecher hat er beim TSV 1860 Rosenheim gemacht, aber „die wichtigen Junioren-Jahre habe ich in Endorf gespielt“, sagt der Offensivspieler. In seinem letzten A-Jugend-Jahr hat er seine Einsatzzeiten in der Kreisliga-Herrenmannschaft bekommen. Zu dieser Zeit gab es die ersten Gespräche mit Klammer.
„Ich habe auch ein Probetraining bei Wasserburg gemacht. Das war eine coole Sache, aber für mich war klar, dass ich, nachdem ich mit der Schule fertig war, erst einmal ins Ausland wollte“, erklärt Ungerath, warum ein Wechsel damals nicht zustande kam. „Wir haben ausgemacht, dass er sich noch einmal meldet, wenn ich aus Australien wiederkomme. Ich habe das aber eigentlich komplett verdrängt, da ich es mir nicht vorstellen konnte, dass ich nach einem Jahr ohne Fußball wechseln würde.“ Also spielte er die letzten Partien noch in Bad Endorf, bevor es im Herbst 2017 nach Australien ging.
Knapp einen Monat vor dem Rückflug gab es dann erneut Gespräche mit dem Abteilungsleiter der Löwen. „Ich war gerade in Sydney, als mich Kevin angerufen hat“, erzählt Ungerath. „Meine erste Reaktion war ‚Boa, i woaß ned’. Dann habe ich aber angefangen zu überlegen und fast die ganze Nacht nicht geschlafen. Meine Freunde haben auch gesagt, ich soll’s einfach mal probieren.“
Also bekam er vom damaligen Wasserburger Trainer Leonhard Haas einen Trainingsplan, um ein gewisses Fitnesslevel aufzubauen und nicht von null anfangen zu müssen. „Ich habe die Übungen gemacht und mir einen Fußballverein in Sydney gesucht, bei dem ich ein paar Mal mittrainieren kann.“ Dieses Training hätte für den Torjäger jedoch nicht schlechter laufen können: „Das Training war super und es war ein geiles Gefühl, mal wieder einen Ball am Fuß zu haben, bis ich im Abschlussspiel umgeknickt bin. Ich habe direkt gewusst, dass etwas kaputt ist.“
Ungerath wollte natürlich zum Trainingsstart wieder fit sein. Vorbereitungsbeginn in Wasserburg war eine Woche vor seinem Rückflug nach Deutschland, also bleiben ihm noch vier Wochen. „Es war der Wahnsinn“, beschreibt der Bad Endorfer die Behandlung seines Sprunggelenks: „Nach dem Training hat mich ein Kumpel abgeholt. Seine Eltern sind beide Ärzte, also haben wir sie per Facetime angerufen. Sie haben meinen Fuß mit der Kamera angeschaut und gesagt, ich soll ins Krankenhaus fahren.“ Beim Röntgen wurde dort festgestellt, dass sein Außenband gerissen war und der Arzt riet ihm, einen Physiotherapeuten aufzusuchen. „Ich hatte natürlich keine Ahnung gehabt, wie ich dort zu einem Physio komme. Aber während der Zeit in Sydney habe ich in einem Café gejobbt. Und zufälligerweise war direkt nebenan ein Physio, der mich dann zwei- bis dreimal die Woche behandelt hat. Er ist auch total fußballbegeistert und schaut immer die Bundesliga. Er hat es echt gut gemacht und mein Sprunggelenk in drei Wochen wieder hinbekommen. Ich habe mit ihm immer noch ab und zu Kontakt. Den Wasserburgern habe ich natürlich Bescheid gesagt, aber ich habe es schon ein wenig unter den Teppich gekehrt. Es war mir echt peinlich.“
Als er dann zurückkam, war das Außenband wieder in Ordnung. „Trotzdem war ich krass beeinträchtigt. Erstens das Sprunggelenk und zweitens war ich einfach nicht fit.“ Dazu stand die nächste große Aufgabe an: Eine Woche nach Ungeraths Rückflug war das „Spiel des Jahres“ für den TSV Wasserburg angesetzt – ein Testspiel gegen den TSV 1860 München. „Leo hat mir gesagt, dass ich spielen werde. Ich habe mir nur gedacht: ‚Wie stellt er sich das vor?’“, lacht Ungerath. „Ich habe nur 15 Minuten gespielt und auch nicht viel zerrissen. Es war aber ein geiles Gefühl, gegen so einen Verein zu spielen.“
Jeder Spieler braucht nach einem Wechsel zu einem höherklassigen Verein eine gewisse Zeit, um sich an das Niveau zu gewöhnen. Das war auch bei Ungerath nicht anders. „Mein erstes Training war katastrophal“, lacht er. „Ich habe aber gewusst, dass das nicht von heute auf morgen geht. Zuvor habe ich mit Spielern zusammengespielt, wo nicht jeder weiß, was ein unterschnittener Ball ist“, schmunzelt der 22-Jährige. „Dazu habe ich ein Jahr lang keinen Ball am Fuß gehabt, und wirklich gesund gelebt habe ich auch nicht.“ Nach einem Monat ging es aber bergauf. Ungerath fand sich immer öfter in der Stammformation – und traf. Mit zwölf Toren und sieben Assists hatte er seinen Beitrag am Aufstieg. Auch in der Bayernliga gehörte Ungerath in die erste Elf, wo er es in 25 Spielen auf zwölf Treffer und vier Vorlagen brachte. „Ich bin den Wasserburgern unglaublich dankbar, dass sie mir damals das Vertrauen geschenkt haben.“
Jetzt steht für Robin Ungerath der nächste Schritt bevor. Ab dem 30. Juni wird der Stürmer das Trikot vom Regionalligisten SV Wacker Burghausen überstreifen. „Ich freue mich sehr darauf. Für mich ist das die perfekte Adresse.“ Ungerath kann dort sein BWL-Studium fortsetzen. Das hatte er nach seinem Australien-Trip begonnen.