Ein Stern geht auf: Ludwig Hinterstocker

von Redaktion

Wie der Fußball wieder ins Rollen kam (Teil 5): Ein Traunsteiner spielt 1952 bei Olympia

Rosenheim/Mühldorf – Der Amateur-Länderpokal des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) war in den 1950er-Jahren eine große Sache, Pflichttermin auch für den Bundestrainer. So sah Sepp Herberger am 13. April 1952 neben 15000 anderen Zuschauern in Wuppertal ein Sturmtalent, das noch in der 4. Liga spielte: Ludwig Hinterstocker vom 1. FC Traunstein, gerade zwei Tage zuvor 21 Jahre alt geworden, schoss beim 4:0-Finalsieg der von FCN-Trainer Alv Riemke betreuten Bayern-Auswahl über den Niederrhein ein Tor. Schon im Viertel- und im Halbfinale hatte er mit einem Tor auf sich aufmerksam gemacht. Auf Herberger machte der schnelle Rechtsaußen einen so großen Eindruck, dass er den „Wiggerl“ im gleichen Jahr mit der Amateur-Nationalmannschaft zu den Olympischen Spielen nach Finnland mitnahm. Erst im Halbfinale scheiterte die DFB-Auswahl dort an Jugoslawien mit 1:3, das Spiel im Olympiastadion von Helsinki um Platz drei ging gegen Schweden mit 0:2 verloren.

Für Hinterstocker war Helsinki das Sprungbrett zu einer großen Fußball-Karriere – so groß sie vor der Bundesliga-Ära eben sein konnte. Ein Jahr noch blieb Hinterstocker beim FC Traunstein in der II. Amateurliga und sicherte Bayern noch einmal den Länderpokal. Mit 22 Jahren wagte er 1953 den Sprung in die Oberliga Süd, zum VfB Stuttgart, wo Trainer Georg Wurzer große Stücke auf ihn hielt. Gleich das erste Jahr – das WM-Jahr 1954 – wurde zu seinem erfolgreichsten. Der VfB holte nicht nur den Titel in der Oberliga Süd und scheiterte in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft erst am späteren Sieger Hannover 96. Fast genau zwei Jahre nach dem Länderpokal-Sieg hielt Hinterstocker mit den Stuttgartern den DFB-Pokal in die Höhe: 1:0 siegte der VfB gegen den 1. FC Köln. Nach 122 Oberliga-Spielen wechselte Hinterstocker 1958 zum Stadtrivalen Stuttgarter Kickers, für den er noch sechs Jahre kickte und ihn 1962 vor dem Abstieg in die 3. Liga bewahrte. Sein Höhepunkt dort: der Wimpeltausch mit Alfredo di Stefano 1963 bei einem Freundschaftsspiel vor 41500 Zuschauern im Neckarstadion gegen Real Madrid (1:5).

Hinterstocker blieb im „Ländle“, wo sie ihn „Luigi“ statt Wiggerl nannten, ohne die Verwandtschaft in Traunstein zu vergessen. Am 2. Juli 2020 ist er in Stuttgart mit 89 Jahren gestorben. „Seine Stärke, seine positive Lebenseinstellung und seine große Toleranz werden wir sehr vermissen“, schrieb die Familie in ihrem Nachruf.

1951/52: Rudi Höfler
schießt Wasserburg
nach oben

In der II. Amateurliga 1951/52 reicht es für den 1.FC Traunstein auch mit seinem „Star“ Hinterstocker nur zu Platz acht. Besser machen es der TSV Trostberg, der ein Jahr nach dem Beinahe-Abstieg vier Punkte hinter Meister SpVgg Helios München als Dritter ins Ziel kommt, der TuS Raubling als Vierter und der TSV 1860 Rosenheim als Sechster. Zu ihnen gesellt sich im Sommer 1952 zum ersten Mal ein fünfter Verein aus dem Bezirk Inn-Chiem.

Der SV Wasserburg eilt in der A-Klasse von Erfolg zu Erfolg. 106:29 Tore und 44:8 Punkte stehen nach 26 Spielen zu Buche, allein 41 Treffer gehen auf das Konto von Rudi Höfler. Auf dem Platz an der Landwehrstraße gaben die Wasserburger keinen einzigen Punkt ab, der TSV Bad Reichenhall wurde mit 10:0 nach Hause geschickt. Ein Rekordsieg war das aber nicht – den feierte Vizemeister SV Neuötting mit einem 17:1 gegen Chieming. Die Aufstiegsrunde war für die Wasserburger eher Pflicht als Kür – zu schwach war Schlusslicht SC Lenggries, das als einziger Verein den Sprung nicht schaffte. Wasserburgs Aufstieg hievte auch die drei B-Klassen-Meister ASV Kiefersfelden (Chiem), SV Aschau (Inn) und ESV Freilassing (Ruperti) nach oben. Übersee, SV Kolbermoor und Chieming mussten dafür weichen. Der TSV Vilsbiburg zog sich freiwillig in die B-Klasse zurück und verhalf Bruckmühl damit zum Klassenerhalt.

1952/53: Bestenfalls viertklassig

Der Fußball zwischen Inn und Salzach bleibt 1952/53 maximal viertklassig. 1860 Rosenheim (5.), 1. FC Traunstein (6.) und TuS Raubling (7.) nisten sich im Mittelfeld der II. Amateurliga ein. Dabei haben die Raublinger ein bisschen Pech, dass bei ihrem Gastspiel in München-Perlach der Torpfosten bricht und ihre 1:0-Führung nichts wert ist. Das Wiederholungsspiel verlieren sie mit 0:1. Der Aufsteiger SV Wasserburg schlägt sich als Zehnter von 13 Mannschaften wacker – und hat dabei Glück: Sein 0:1 gegen den MSV München wird wegen eines Regelverstoßes annulliert, im zweiten Anlauf gewinnen die Wasserburger mit 2:1. Doch der Vorjahresdritte aus Trostberg stürzt auf Platz zwölf ab; ein Punkt fehlt am Ende zum Klassenerhalt.

Doch es bleiben fünf Viertligisten aus dem Kreis Inn-Chiem. Der TSV Neuötting sichert sich mit einem Punkt Vorsprung auf TuS Garching den Titel in der A-Klasse. Die Aufstiegsrunde zur II. Amateurliga ist diesmal anspruchsvoller. Nur vier von sechs Teilnehmern (allein München stellt drei) qualifizieren sich. Doch Neuötting kann das nicht aufhalten: Dank fünf Heimsiegen ist der TSV als Dritter mit 12:8 Punkten am Ende punktgleich mit dem Ersten TSG Pasing und dem MTV 1879 München.

In der A-Klasse erweist sich die Gruppe Ruperti einmal mehr als die schwächste: Vorjahresaufsteiger ESV Freilassing steigt neben Prien gleich wieder ab, und B-Klassen-Meister SV Laufen scheitert in der Aufstiegsrunde am TuS Pfarrkirchen (Inn) und dem TSV Ebersberg (Chiem).

Und Ludwig Hinterstocker verabschiedet sich mit dem zweiten Sieg im Amateur-Länderpokal in Folge vom oberbayerischen Fußball. Im Achtelfinale und im Halbfinale hat er die Riemke-Elf jeweils mit 1:0 in Führung geschossen. Dass er beim 5:2 im Finale gegen Niedersachsen in Hannover zum ersten Mal nicht trifft, kann Hinterstocker verschmerzen.

Als die oberbayerische Kreisauswahl im August 1953 mit einem 8:4 (!) nach Verlängerung ihren Titel im Verbandspokal gegen Schwaben verteidigt, ist Hinterstocker schon in Stuttgart. Der Bezirk Inn-Chiem ist trotzdem gut vertreten. Neben dem Traunsteiner Hartl und dem Rosenheimer Schälicke, die schon ein Jahr zuvor dabei waren, steht auch Rudi Höfler in der siegreichen Elf – und steuert mit dem 8:3 einen Treffer bei.

„Fußball in Bayern“, Band 1: 1945-55 aus der Reihe „Bayern-Chronik“ ist für 39,80 Euro erhältlich beim Deutschen Sportclub für Fußball-Statistiken e.V., Produktvertrieb, Bocksgründen 67, 27232 Sulingen, oder online über dsfs.de. Band 2 (1955-63) erscheint im November.

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